Katakomben (Van den Berg) (German Edition)
sicher. Auch wenn man ihn in seinem neuen Look nicht gleich erkennen würde, er musste verdammt vorsichtig sein.
Van den Berg verzichtete darauf, Polizisten vor dem Heim zu postieren. Ihm war nicht ganz wohl dabei, aber selbst Cops in zivil konnten Hugo vertreiben. Die Mädchen waren geschützt, aber in einer Weise, dass Hugo davon nichts bemerken konnte.
Am nächsten Morgen nahm sich der Kommissar Zeit für sein Frühstück. Ihm war klar, dass der Tag der Abrechnung bevorstand. Wenn alles perfekt lief, würden ihnen beide auf einen Schlag ins Netz gehen. Bevor die Schlacht ins Finale ging, musste er sich noch ein wenig ablenken. Er schlenderte zu Renard und besorgte sich zwei Schweineohren mit Schokoguss.
Beim Frühstück dachte er an Nicole und nahm ein Album aus dem Regal, das er lange nicht mehr gehört hatte: „Outlandos d´Amour“ von The Police. Er träumte von früher, von den exzessiven Saufgelagen mit seinen Kumpels und die zugedröhnten Wanderungen durch die Straßen von Gent.
Es war exakt halb neun, als van den Berg im Kommissariat eintraf. Die Sonderkommission hatte die Ermittlungen mit ihren Recherchen keinen Zentimeter weitergebracht, die Stimmung war hochgradig explosiv.
De Wilde versuchte sich zu profilieren, indem er van den Bergs Ermittlungstaktik kritisierte. De Wildes Sprüche waren nicht mehr als heiße Luft – das wussten die meisten. Die Polizisten mussten beschäftigt werden – niemand durfte auf die Idee kommen, ihm in seine geheimen Pläne hinein zu pfuschen. Die Telefone im Kommissariat standen nicht still, beinahe im Minutentakt meldeten sich Anrufer, die einen der beiden Gesuchten gesehen haben wollten. Es war purer Stress, sämtlichen Hinweisen nachzugehen. Die Kollegen erstickten in Arbeit, niemand würde dazu kommen, seine Schachzüge zu durchkreuzen. Van den Berg beendete die Zusammenkunft mit dem Befehl, jedem noch so abwegigen Hinweis akribisch nachzugehen.
De Gruye war mächtig aufgeregt. Er fragte sich, wann es endlich losging. Er musste sich gedulden, aber sein großer Auftritt würde schon kommen, wenn Fontaine im Anmarsch war. Gespannt klickten sie in das E-Mail-Postfach, das sie eigens für Fontaine angelegt hatten. Sie benutzten einen Anonymizer, der ihren Aufenthaltsort perfekt verschleierte. Fontaine hatte nicht geschrieben. „Er wartet, dass wir ihm was anbieten, und ganz sicher möchte er nicht zeigen, dass er ungeduldig ist“, sagte die Psychologin lächelnd.
Sie schrieb nur einen Satz: „Wann haben sie Zeit?“ Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: „Sofort!“ Nicole grinste. „Er kann es nicht erwarten.“ Sie entschieden, die Aktion durchzuziehen, wenn es dunkel war. Die Killer waren zwar schwerer zu kriegen – anderseits war es für die Polizisten einfacher, unauffällig zu arbeiten. „Glaubst du, Fontaine ist noch hier?“ „Wenn er sich sofort mit uns treffen kann, denke ich schon“, antwortete Nicole. „Vielleicht will er uns auch nur sagen, dass er für uns immer Zeit hat, und in Wirklichkeit ist er ganz woanders“, warf De Gruye ein. „Es ist mir scheißegal, wo der steckt – Hauptsache, er bewegt seinen Arsch hierher.“
„Heute um 20 Uhr an der Kathedrale St. Michel“, tippte Nicole in die Tasten. Fontaines Reaktion kam fünfzehn Sekunden später. „Warum an der Kathedrale?“ „Da sind wir unbeobachtet – ich muss vorsichtig sein.“ „Ich werde da sein, woran erkenne ich sie?“ Nicole dachte nach. „Er will es aber ganz genau haben“, meinte van den Berg. „Tun wir ihm den Gefallen!“, erwiderte Nicole. „Ich trage einen blauen Trenchcoat, ist das okay?“, schlug De Gruye vor. „Blauer Mantel – und sie?“, schrieb Nicole. „Es reicht, wenn ich sie erkenne“, antwortete der Jäger. „OK!“ Der kurze Mailverkehr war beendet.
„Ich kann das gar nicht glauben, es kann doch nicht so einfach sein, Fontaine in die Falle zu locken.“ „Man muss die Menschen nur an ihrem empfindlichsten Nerv treffen.“ Van den Berg zweifelte daran, dass Fontaine den Köder schluckte. „Er kommt, warte ab“, sagte Nicole, die sich zu hundert Prozent sicher war. Der Kommissar blickte nervös auf seine Armbanduhr – es war halb elf.
Hugo überlegte, wie er das Haus abchecken sollte. Ein Kamerasystem in der Nähe anzubringen und aus sicherer Entfernung den Eingang zu beobachten, war eine Möglichkeit. Hugo hatte eine bessere Idee. Gegenüber dem Heim lag ein unauffälliges kleines Hotel, das von außen
Weitere Kostenlose Bücher