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Kater mit Karma

Kater mit Karma

Titel: Kater mit Karma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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außer einer Kommode und unserem alten französischen Bett. Der Umstand, dass sie in einem solchen Riesenbett schlief, hätte meine Mutter zutiefst verstört. ( Was will ein Mädchen in dem Alter mit einem solchen Bett? Ist das nicht eine Aufforderung zum Lotterleben und das unter eurem Dach? )
    Während Lydia noch mit Einrichten beschäftigt war, lud sie ihren Freund zu einer exklusiven Vorbesichtigung ein. Ned war ein großer, gutaussehender junger Mann, trug seine dunklen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden und arbeitete nebenher als Jazzpianist. Er hatte »ein, zwei Probleme«, die er aber, wie Lydia uns versicherte, mit Medikamenten im Griff hatte.
    Nachdem Ned mir höflich zugenickt hatte, stürmte er voller Vorfreude nach oben. Ich hatte kein Problem mit Ned. Auf Robs Verlobungsparty hatten wir zu »I’ve Got You Under My Skin« miteinander getanzt – ein Song, bei dem ich immer meine Mutter vor mir sah, wie sie die von einem Ekzem befallene Haut an ihren Händen abzupfte.
    Das Ekzem hätte sich bis in ihre Knochen gegraben, wenn sie hier gewesen wäre und gesehen hätte, wie Ned am nächsten Morgen die Treppe herunterkam. Sein Seemannspullover war an den Ärmeln ausgefranst. Ich hätte nicht sagen können, ob der Schatten an seinem Kinn ein modischer Dreitagebart oder schlichte Nachlässigkeit war. Alles an ihm schien zu sagen »Vorsicht, Baustelle«.
    Lässig vor sich hinsummend, schenkte Ned sich Kaffee ein. Ein Summer war etwas Neues in unserem Haus. Lydia war ein paarmal über Nacht bei ihm geblieben, deshalb hatte ich nichts dagegen, dass er bei uns übernachtete. Ehrlich gesagt war mir wohler, wenn sie in ihrem eigenen Bett lag, egal ob mit oder ohne Freund.
    Philip war weniger glücklich darüber. Er kam fix und fertig angezogen die Küche, begrüßte Ned kühl und setzte sich ihm gegenüber an den Tisch. Die Temperatur sank um einige Grad, als sich die beiden Männer über den Hahn auf der Cornflakespackung hinweg musterten. Ich hatte plötzlich den Eindruck, dass sich ein Gockel zu viel im Raum befand.
    Als Ned gegangen war, fragte ich Lydia, ob ich mir ihr neu eingerichtetes Zimmer jetzt ansehen dürfe. Sie schüttelte den Kopf. Zur Vollendung ihres Werks fehlten noch ein paar Kleinigkeiten. Sie würde es mir später zeigen, nach der Arbeit, erklärte sie.
    »Wen hast du heute?«, fragte ich.
    »Ein paar Jugendliche«, erwiderte sie. »Wir gehen mit ihnen ins Aquarium.«
    »Du hast also jemanden, der dir hilft?«
    »Ja, sie sind ziemlich immobil.«
    Ich winkte ihr von der Veranda nach, als sie zu dem grauen Bus ging, der vor unserem Haus stand. Wie sie es schaffte, ihre Schützlinge damit herumzukutschieren, war mir ein Rätsel.
    Wenn sie mein Auto fuhr, konnte sie kaum rückwärts einparken, ohne jemandem den Lack zu zerkratzen. Hinter dem Lenkrad des Busses wurde sie zu einem anderen Menschen – sicher, koordiniert.
    »Hast du eigentlich eine Fahrerlaubnis für das Ding?«, rief ich ihr halb im Scherz nach.
    Sie zuckte die Achseln, stieg ein und ließ den Motor an.
    Die paar Mal, die ich ihr dabei zugesehen hatte, wie sie ihren Schützlingen – einige davon mit Ernährungssonden und Beatmungsgeräten – in den Wagen half, war ich mir richtig erbärmlich vorgekommen. Niemals wäre ich in ihrem Alter so selbstlos gewesen. Lydia und ihre Freunde ließen hehren Worten Taten folgen.
    Manche werfen den Mitgliedern der Generation Y vor, sie seien egoistisch, Dauerstudenten/Faulenzer, lägen ihren Eltern auf der Tasche und hätten Ansprüche bis dorthinaus. Einige kritisieren sogar den Slogan aus der L’Oreal-Werbung: »Weil ich es mir wert bin!« Ich für meinen Teil habe nie idealistischere junge Leute kennengelernt.
    Lydia kümmerte sich um behinderte Menschen, seit sie sechzehn war und ihre Klasse dazu motiviert wurde, ein Vierteljahr lang ehrenamtliche Arbeit zu leisten. Ihre Freunde entschieden sich für leichte Tätigkeiten wie ein paar Schichten im Secondhandladen irgendeiner gemeinnützigen Einrichtung. Unsere Tochter musste sich natürlich etwas Anspruchsvolleres aussuchen, und auf diese Weise trat Alice, fünf Jahre älter als Lydia, in unser Leben. Alice’ eher schwach ausgeprägte Behinderung wurde von einer ziemlich starken Persönlichkeit begleitet.
    Als Alice das erste Mal zu uns kam, brachte sie Katharine mit ihrer Megafon-Stimme zum Weinen. Rob wiederum schloss sie ganz besonders in ihr Herz. Während ich Essen kochte, erklärte Alice, sie wolle ein Bad nehmen. Ich fragte Lydia,

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