Kater mit Karma
der Stereoanlage Wache neben ihrem Schreibtisch. Ihr bis in die letzte Haarspitze seines Fells treu ergeben, tat unser Kater so, als fände er Bachs Cello-Konzerte eigentlich doch nicht so schlecht.
Wenn Katharine nach einer Prüfung nach Hause kam und sich auf ihr Bett fallen ließ, nicht wissend, ob sie bestanden hatte oder durchgefallen war, sprang Jonah auf ihre Decke, schmiegte sich an ihren Hals und schnurrte ihr sanft etwas vor.
Mir taten die Handgelenke weh vom Orangenauspressen. Die Klingen des Mixers wurden stumpf. Sämtliche Paracetamol-Packungen im Bad waren leer.
Wieder und wieder hielt ich Katharine Vorträge darüber, wie unwichtig Prüfungsnoten waren, und erklärte ihr, sie seien lediglich ein Quadrat in der Patchworkdecke des Lebens. Wenn sie nicht so gut abschnitt, wie sie gehofft hatte, dann konnte sie eine Kochausbildung in Paris machen oder in Florenz Kunstgeschichte studieren und sich nur noch mit den schönen Dingen des Lebens beschäftigen. Mit einem schwachen Lächeln fragte sie, ob ich in diese Liste auch Auftritte in Musicals mit aufnehmen würde.
Natürlich … alles, mein Liebes … Hauptsache, es geht dir wieder gut.
Als sie die letzte Prüfung endlich hinter sich hatte, war ihr nicht danach zumute, mit ihren Freunden zu feiern.
»Ich will einfach nur noch diese Mandeln loswerden«, krächzte sie.
Was im Handumdrehen erledigt war.
»Das war überhaupt nicht schlimm, Mum«, sagte sie, in postoperativer Euphorie in ihrem Krankenhausbett thronend. »Mir geht’s prima.«
In ihrer ersten Nacht zu Hause wurden Philip und ich von Jonah geweckt, der in der Diele auf und ab rannte und laut miaute. Wir öffneten die Tür. Mit funkelnden Augen, in der Dunkelheit zwei schwarze Kreise, sah er zu uns hoch. Er führte uns die Treppe hinauf, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Katharine lag im Bett und weinte vor Schmerzen. Die Wirkung der Schmerzmittel hatte nachgelassen. Sie litt Höllenqualen.
»Danke, Kleiner«, sagte ich und streichelte Jonahs seidigen Rücken.
Gesittet setzte sich unser Kater auf Katharines Kissen, während Philip im Krankenhaus anrief und mit irgendjemandem vereinbarte, dass er vorbeikommen und ein stärkeres Schmerzmittel abholen würde. Jonah war keine Teufelskatze mehr, sondern Katharines Schutzengel.
Ein paar Stunden später, nachdem Philip die Medikamente geholt hatte, öffneten wir Katharines Tür einen Spaltbreit. In dem Licht, das aus dem Bad in ihr Zimmer fiel, konnten wir sehen, dass sie friedlich schlief, Jonah zusammengerollt neben ihr.
Jonah hob den Kopf, als wollte er sagen: Alles in Ordnung. Ich habe alles im Griff. Geht ihr beiden ruhig wieder ins Bett.
»Willst du ihn immer noch auf eine Farm schicken?«, fragte ich Philip, als wir taumelnd vor Müdigkeit wieder nach unten gingen.
Philip schüttelte den Kopf und legte den Arm um mich. Er musste nicht antworten. Jonah kümmerte sich rund um die Uhr um unsere Tochter. Trotz all der Höhen und Tiefen, die wir mit ihm durchgemacht hatten, von zerstörten Teppichen bis zu Katzen-Prozac, von Eifersucht auf das Enkelkind bis zu Inkontinenz, war er Teil unserer Familie.
Am nächsten Morgen kam eine weitere SMS von Lydia. In Sri Lanka regnete es immer noch. Soviel ich wusste, hatte sie inzwischen vielleicht das Gelübde abgelegt und war jetzt eine richtige Nonne. Aber das würde sie mir natürlich verschweigen, um meine Gesundheit nicht zu gefährden, und lieber Wetterberichte schicken. Ich antwortete mit einem Zitat aus einer Titelstory von Newsweek , wonach Meditation die Entwicklung des Gehirns förderte. Keine Antwort. Vielleicht meditierte sie.
Während Katharine sich erholte, wurde es Januar und sie bekam ihre Prüfungsergebnisse. Es war unglaublich. Ihre Noten waren so gut, dass sie sofort mit dem Medizinstudium beginnen konnte, wenn sie wollte. Ich war erleichtert, dass sie sich stattdessen für ein naturwissenschaftliches Studium entschied. Ein paar Jahre eines breiter gefächerten Studiums gaben ihr Zeit, in Ruhe über ihre Möglichkeiten nachzudenken.
Unterdessen hatte sich Sri Lanka wie eine Katze in meine Gedanken geschlichen. Die tränenförmige Insel tauchte überall auf – in meinen Träumen, in den Nachrichten. (Dieses Mal furchtbare Überschwemmungen, die eine Million Menschen zur Flucht zwangen. Lydias Wetterberichte waren nicht übertrieben gewesen.) An dem Abend, als Philip und ich wieder einmal in die Oper gingen, wurden Die Perlenfischer gegeben, eine düstere
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