Kater mit Karma
Mönch«, sagte er.
Ich fragte mich, ob Lydia eines Tages genauso empfinden würde, was Jonah betraf. Wohl kaum.
Dem Rat einer weitgereisten Freundin folgend, stattete ich der Apotheke einen Besuch ab und deckte mich mit orangefarbenen Tabletten gegen Durchfall ein und – sicherheitshalber – mit gelben für den gegenteiligen Fall.
Mein nächster Besuch galt einem Outdoorladen, in dem es nach Zeltleinwand und Insektenschutzmittel roch. Philip liebte solche Geschäfte, aber ich hatte bisher immer einen großen Bogen darum gemacht.
Ein Verkäufer von der Sorte Survival-Experte begrüßte mich. »Sie wollen wohin ?«, fragte er.
Er bat mich, den Namen meines Reiseziels zu wiederholen, und wirkte verblüfft, als ich ihm sagte, warum ich dorthin wollte.
Er war mit dem Zelt in Namibia unterwegs gewesen und wir tauschten Informationen über Moskitos aus. Lästige Viecher, meinte er, um mich anschließend zum Kauf eines großen, mit Insektenschutzmittel imprägnierten Moskitonetzes zu überreden plus einem kleineren, das ich mir über den Hut stülpen konnte. Der Survival-Experte war in Namibia froh über seinen Seidenschlafsack gewesen (ebenfalls mit Insektenschutzmittel imprägniert), also kaufte ich davon auch einen. Und wo ich schon einmal dabei war, gleich noch ein Pulver gegen Ungeziefer für meine Kleidung. Eine wahre Pestizidorgie für jemanden, der seit Jahrzehnten immer nur im Bioladen einkaufte.
Lydia hatte mir erklärt, eine Halogen-Stirnlampe wäre nützlich, falls der Strom ausfiel (wichtiger noch, um die Ratten zu vertreiben und nachts aufs Klo zu finden). Ich erstand außerdem ein Campingkissen (keine Bettwäsche bedeutete vermutlich auch kein Kissen), eine hochmodern aussehende Zeckenzange und bunte moskitoabweisende Armbänder.
»Viel Spaß«, sagte der Survival-Experte und verstaute meine Einkäufe in Tüten.
Das meinte er bestimmt nicht ernst.
Jonah war hingerissen, als ich nach Hause kam und meine Schätze auf dem Tisch ausbreitete. Erfreut über die unbekannten Gerüche schnupperte er an den Verpackungen,
Katharine dagegen war entsetzt.
»Bitte sag, dass du nicht vorhast, einen Hut mit einem Moskitonetz aufzusetzen«, stöhnte sie.
»Ich bin in Sri Lanka. Du wirst es nicht sehen.«
»Mum, das ist so was von uncool!«
Den Anweisungen des Survival-Experten folgend, trug ich das Moskitonetz in den Garten und breitete es über den Liegestühlen aus, um es vierundzwanzig Stunden lang auslüften zu lassen.
Jonahs Beruhigungsmittel verlor an Wirkung, je näher meine Abreise rückte. Mit seinem untrüglichen Instinkt für das Kommen und Gehen seiner Menschen entwickelte er sich zur Klette. Katharine nahm ihn an die Leine und ging mit ihm im Garten spazieren. Bei einem Blick aus dem Küchenfenster sah ich das Moskitonetz davonschweben wie eine Geistererscheinung. Jonah hatte es mit den Zähnen gepackt und zerrte es durch den Garten.
In der Nacht des 9. Februar, meinem Abreisetag, flutete Jonah die Vorhänge im Marquis-de-Sade-Kabinett. Mein halb gepackter Koffer wurde gnädigerweise verschont.
Mit finsterer Miene nahm Philip die Vorhänge ab, um sie in der Waschküche in einem Eimer einzuweichen. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für ein neues Ultimatum.
Ich erinnerte Philip daran, dass es sich um Jonahs erstes Vergehen seit Weihnachten handelte.
Am Abend ging ich noch einmal meine Checkliste durch – Geschenke, Bettwäsche, Handtücher, Kissen, Kleidung (vorwiegend weiß, den Klosterregeln entsprechend), weiße Kniestrümpfe und Marcel-Marceau-Handschuhe (zum Schutz vor Insekten), Moskitonetze, Taschenlampe, Klopapier, Desinfektionstücher, dazu genug Tabletten und Lotionen, um eine Apotheke damit auszustatten.
Dann erinnerte ich mich an den Speiseplan des Klosters, der aus zwei vegetarischen Currys pro Tag bestand! Ausgeschlossen, dass ich damit überlebte. Spätestens um acht Uhr abends würde ich an den Holzbalken kauen. Glücklicherweise hatte der Supermarkt noch auf. Zwei Packungen Nussriegel und ich war reisefertig.
Am nächsten Morgen quetschte ich mich in meine Kompressionsstrümpfe und legte die Mondsteinohrringe an, die Lydia mir zum Geburtstag geschenkt hatte. Als Philip meinen Koffer zum Auto rollte, stand Katharine mit Jonah auf dem Arm auf der Veranda und er hob eine seiner Vorderpfoten, um mir zum Abschied zu winken.
»Er schnurrt nicht«, sagte sie.
39.
Insel der Tränen
» Tochter bin ich in meiner Mutter Haus, doch Herrin in meinem eigenen.«
Rudyard
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