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Kater mit Karma

Kater mit Karma

Titel: Kater mit Karma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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auf und las: »Mein Liebes, ich hoffe, dir geht’s besser.« Dem Floristen würde etwas Nachschulung in der Verwendung von Apostrophen auch nicht schaden.
    Um meine kaffeefarbene Brustwarze zu feiern, gingen Lydia und ich in ein neues Café in der Chapel Street. Mit dem blanken Betonboden und den roh gezimmerten Bänken, die als Sitzgelegenheiten dienten, ähnelte es einer Notunterkunft. Die Gäste waren extrem hip. Die Männer trugen graue T-Shirts und merkwürdige Haarbüschelchen an Kinn und Wangen, die auf eine Räudeepidemie hinwiesen. Die Frauen beugten sich entweder über ihre Laptops oder pickten wie Vögel mit den Fingern auf ihren Handys herum. Fast alle hatten das Zwangsabzeichen der Jugend im 21. Jahrhundert, mindestens ein Tattoo.
    Aus der Espressomaschine kam zischend eine Dampfwolke. Der Mann hinter der Espressomaschine schüttelte seine Dreadlocks und schickte mir eine telepathische Botschaft – »uncool«. Ich antwortete ihm postwendend: »Sohn, ich könnte deine Windeln gewechselt haben.«
    »Hübsches Tattoo«, sagte ich und bewunderte den Ring aus roten und blauen Ratten, der sich um seinen Arm wand. »Muss ziemlich weh getan haben.«
    »Das hier hat mehr weh getan«, sagte er und deutete auf eine Stelle über seiner rechten Brust.
    Beinahe hätte ich ihm gestanden, dass wir Bruder und Schwester in Tinte waren.
    »Warum haben Sie es dann machen lassen?«, fragte ich stattdessen.
    »Um zu beweisen, dass ich den Schmerz überwinde«, erwiderte er.
    »Aha«, sagte ich und starrte auf meinen Kaffee.
    Ich hätte ihm erklären können, dass Schmerz viele verschiedene Formen annehmen kann. Der quälendste ist nicht der durch eine Tätowiernadel und wahrscheinlich auch nicht der durch ein Messer oder eine Pistole. Es ist auch nicht die Panik, die einen erfasst, wenn der Arzt das K-Wort gebraucht, oder das Stechen einer Operationswunde. Am meisten tut es weh, wenn deine Kinder Probleme haben.
    Aber er hatte mich bereits als alt und langweilig abgestempelt und sah über meine Schulter hinweg den nächsten Kunden an.
    Zu Hause liefen im Nachmittagsfernsehen gerade die üblichen Werbeeinblendungen von Bestattungsinstituten und ich schaltete zu einer amerikanischen Sitcom um – eine dieser neuen, in denen es schick ist, schwul zu sein.
    Lydia brachte mir eine Tasse Tee und sah auf den Bildschirm.
    »Ihr wollt Rebellion!??«, brüllte der Fernsehteenager gerade seine Eltern an, die sich über sein neues pornographisches Tattoo aufregten. »Ich zeig euch, was Rebellion ist. Ich hau ab und werde Mönch in Thailand!«
    Als das Lachen vom Band losbrandete, wechselten Lydia und ich einen Blick – und ein kleines Lächeln.

37.
Gesegnet
    Ich bin nicht religiös, aber …
    Koffer waren Jonahs Feinde. Mindestens so schlimm wie die großen schwarzen Katzen am Ende der Straße. Ein Koffer oder Rucksack bedeutete, dass jemand das Haus verließ.
    V. Pr. (vor Prozac) hatte allein ihr Anblick einen Anfall bei ihm ausgelöst. Den Schwanz steil aufgerichtet, raste er durchs Haus und sein Miauen schwoll zu einem mitleiderregenden »Neiiiiin!« an.
    Das Vorhaben, ihn zu fangen und zu beruhigen, hätte bei dem Tempo, in dem er die Treppen rauf- und runterflitzte, unweigerlich zu einer Slapstick-Nummer geführt. Rauf, runter, rauf, runter. Geh nicht, geh nicht …
    Wenn eine halb gepackte Tasche offen dastand, sprang er hinein, vergrub sich darin und wollte nicht mehr raus. Geschlossenes Gepäck, das darauf wartete, zur Haustür getragen zu werden, war noch stärker gefährdet. Jonah würde die erste sich bietende Gelegenheit ergreifen und daran kratzen und seine Haare hinterlassen, um sicherzugehen, dass dessen Besitzer mehr von unserem Kater mitnahm, als er vorgehabt hatte.
    Mit Jonahs Kofferphobie fertigzuwerden war eine echte Herausforderung. Ich wollte nichts tun, was ihn wieder in altes Fahrwasser brachte.
    Damals standen unsere Koffer und Taschen auf dem Dachboden oder waren ineinandergestapelt in einem der Schränke in meinem Arbeitszimmer verstaut. Wenn einer von uns für eine Reise packen musste, lenkte ein anderes Familienmitglied Jonah mit einem Band, einer Angelrute oder Schmeicheleien ab. Dann holte der Reisende klammheimlich den Koffer aus dem Versteck, schlüpfte damit in sein Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
    Sosehr wir auch versuchten, solche Unternehmungen vor ihm zu verbergen, Jonah wusste immer Bescheid, selbst n. Pr. (nach Prozac). Wie auch jetzt, als Lydia für Sri Lanka packte. Hinter

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