Kater mit Karma
und eine Jet-Stream-Dusche verführerisch war, machte es mich doch traurig, gehen zu müssen. Mein Aufenthalt im Kloster war kurz gewesen, aber ich ging als Frau mit offenerem Herzen und weniger Ängsten.
Ich nahm auf der Rückbank des Autos Platz und erklärte dem Mönch, dass wir gerne direkt ins Hotel fahren würden.
»Aber Sie müssen die Teeplantagen sehen!«, beharrte er. »Es dauert nur ein, zwei Stunden. Sie sind sehr schön. Außerdem ist es dort oben angenehm kühl.«
Wenn man bedachte, wie nah das Kloster dem Himmel war, konnte man sich kaum vorstellen, dass es darüber noch ein »dort oben« geben sollte.
Es hatte keinen Sinn, dem Mönch zu widersprechen. Womöglich wollte er die Zeit auch nutzen und ernsthafte Angelegenheiten, die seine »Schülerin« Lydia betrafen, besprechen.
42.
Die Frage
Hungrige Geister und strahlendes Glück.
Bei geschlossenen Autofenstern krochen wir durch kleine Städte. Mir wurde übel von der Hitze und den Abgasen, und auch der Mönch schien sich nicht wohl zu fühlen. Er kurbelte das Fenster herunter, streckte den Kopf hinaus und spuckte laut und vernehmlich aus. Der Fahrer versicherte uns, dass wir bald in eine kühlere, angenehmere Gegend kämen.
Vor einer Hütte am Straßenrand kämmte ein Junge die taillenlangen Haare seiner Mutter. Diese anrührende Szene erinnerte mich an den ständigen Kampf mit Kopfläusen, den wir während der Grundschuljahre unserer Kinder führten.
Das Auto ruckelte und rumpelte steile, Photoshop-grüne Hügel hinauf. Hinter einer Kurve stand plötzlich ein schwer bewaffneter Soldat vor uns und presste eine Pfeife an die Lippen. Er hob einen Arm und brachte uns zum Stehen. Mir fielen die mindestens neunzehn Journalisten ein, die seit 1992 in Sri Lanka umgebracht worden waren. Ich verstand mich zwar nicht mehr als Journalistin, sondern als Hausfrau, die zufällig einen Besteller geschrieben hatte, aber eine Begegnung mit dem Militär von Sri Lanka machte mir trotzdem Angst. Kaum sah der Soldat jedoch unseren Mönch, lächelte er so breit, dass ihm die Pfeife aus dem Mund fiel, und er winkte uns weiter.
»Sehen Sie dort, Miss Lydia!«, rief der Fahrer und fuhr an den Straßenrand. »Ein Wasserfall!«
Wir blieben neben einer Gruppe farbenprächtig gekleideter Einheimischer stehen, um das über riesige Felsblöcke rauschende Wasser zu betrachten. Als ich mich mit dem Fotoapparat in der Hand aus dem Fenster lehnte, tauchte plötzlich ein Arm vor mir auf, die Finger zu einer Geste des Bettelns gekrümmt. Der Arm gehörte zu einer grauhaarigen Frau, deren Augen vom Alter trübe waren. Vor Lydias Fenster schwebte wie ein Geist der Kopf eines anderen Bettlers.
Der Fahrer sagte, wir sollten den beiden nichts geben, aber das war meine erste Begegnung mit Bettlern in Sri Lanka. In Melbourne wäre ich auf der Chapel Street in der gleichen Zeit schon viel mehr von ihnen begegnet. Ich kramte in meinem Geldbeutel nach einem Schein, der mir angemessen vorkam, aber die Hand deutete auf einen anderen, der zehn Dollar entsprach – für die hiesigen Verhältnisse ein kleines Vermögen. Ich gab ihn der Frau.
Beim Weiterfahren schimpfte der Fahrer leise. Diese Leute lägen den ganzen Tag auf der faulen Haut, klagte er. Sie erwarteten, dass die anderen für sie arbeiteten. Aber der Mönch erinnerte ihn daran, dass Bettler eine Gelegenheit für Karmaaufbesserung böten.
Wie dicke grüne Teppiche zogen sich die Teeplantagen über die Hügel. Kein Wunder, dass es den Briten hier oben gefallen hatte – ein kühler Rückzugsort, fern des chaotischen Getriebes in den tiefer gelegenen Gebieten, und dazu ein unerschöpflicher Vorrat an Tee. Zwischen den langen Reihen von Teebüschen arbeiteten in Saris gekleidete Frauen, die große weiße Säcke über der Schulter trugen. Für zwei Dollar Lohn am Tag zogen sie sich einen für alle Zeiten krummen Rücken zu.
Es näherte sich die magische Mittagsstunde, vor der der Mönch essen musste. Der Fahrer bog von der Straße ab in die Auffahrt zu einem herrschaftlichen weißen Haus im Art-déco-Stil. Es stammte aus Kolonialzeiten und strahlte Vornehmheit aus.
Der Fahrer hielt vor dem prunkvollen Eingang, hupte und wartete. Ein elegant gekleideter Kellner eilte herbei und reichte dem Mönch eine Speisekarte. Mehrere Angestellte scharten sich um das Auto und warteten ängstlich auf seinen Urteilsspruch.
Der Mönch meinte zwar, dass es weiter oben ein besseres, einladenderes Restaurant gebe, dieses aber akzeptabel sei.
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