Kater mit Karma
die Umgebung und wandten sich dann schnell wieder einander zu, um sich gegenseitig zu versichern, dass ihre Welt die reale Welt sei.
In einem Laden fielen sie über die hübsch verpackten Tees her, als stünde eine weltweite Verknappung bevor. In der Cafeteria schütteten sie literweise Tee in sich hinein und stopften sich mit Schokoladenkuchen voll. Eine ständige Gier nach essen und kaufen, kaufen und essen.
Im buddhistischen Lebensrad werden die hungrigen Geister unablässig von nicht erfüllbaren Wünschen geplagt. Diese aus dem Leben ausgeschlossenen Geister können die Gegenwart nicht wirklich erfahren und befinden sich daher ständig in einem Zustand der Wut und des Unerfülltseins. Wer auch immer die hungrigen Geister mit dünnem Hals und dickem Bauch dargestellt hatte, musste an Touristen gedacht haben.
Vor der Cafeteria sahen wir eine Seltenheit in Sri Lanka – ein übergewichtiges Kind. Der kleine Junge mit einem teigigen Gesicht und Korinthen ähnelnden Augen watschelte in einem Marken-T-Shirt und einer viel zu kleinen Mütze herum. Ein jämmerlicher Anblick, dieser von der Konsumkultur, aus der er stammte, gemästete Junge.
Während die Touristen sich gegenseitig beim Teekaufen, Teetrinken und Vor-der-Teefabrik-Posieren fotografierten, ging es Lydias Lehrer zusehends besser. Er drängte uns, eine Führung durch die Fabrik mitzumachen, die einen süßlichen, berauschenden Duft verströmte.
Eine charmante junge Frau erklärte das noch kaum automatisierte Herstellungsverfahren von Tee. Vom Blatt bis zur fertigen Packung dauerte es nur vierundzwanzig Stunden. Nachdem wir die Fließbänder voller Teeblätter bestaunt hatten, die schließlich in Küchen auf der ganzen Welt aufgebrüht wurden, machten wir uns auf den Weg zum Parkplatz.
Während die anderen zur Toilette gingen, nahm mich der Fahrer mit ernstem Blick beiseite. Er würde mir, sagte er, ein komplett eingerichtetes Haus mit allem Drum und Dran schenken, wenn ich einen netten Mann für seine Tochter wüsste. Jeder Wunsch würde mir von den Augen abgelesen werden, wenn ich nur einen Mann mit einem guten Herzen fände.
Um eine Antwort verlegen, dachte ich an all die Frauen aus meinem Bekanntenkreis, ob sechzehn oder fünfundsiebzig, die darüber klagten, wie schwer es sei, einen passablen Kerl zu finden, und tröstete ihn, dass das auf der ganzen Welt ein Problem sei.
Nachdem wir alles gesehen hatten, versicherten Lydia und ich dem Mönch und dem Fahrer, dass wir nichts dagegen hätten, jetzt zu unserem Hotel gebracht zu werden.
»Aber Sie müssen doch noch Little Britain sehen!«, rief der Mönch.
Einen kurzen Moment dachte ich, er würde die Comedy-Show meinen.
»Nuwara Eliya wurde im neunzehnten Jahrhundert an einem See erbaut und es sieht mit seinen roten Backsteinhäusern und Hotels aus wie eine englische Stadt«, fuhr er fort. »Es ist sehr hübsch. Und dann müssen wir unbedingt noch den Botanischen Garten besuchen.«
Ächzend holperte das Auto bis nach Little Britain. Damit es auch wirklich wie in England aussah, fing es gleich darauf über dem See an zu regnen. Wir hielten an einem hübschen alten Hotel aus der Zeit, in der Königin Victoria noch auf dem Thron gesessen hatte. Das Pianola in der Lobby spielte Weihnachtslieder, nicht ganz passend im Februar. Im Garten schoben sich unter einer großen Magnolie weißhaarige Paare aus Surrey zu Engelbert Humperdinck über den Rasen, während Frauen in Saris und Männer in weißen Jacketts für ständigen Teenachschub sorgten.
Die Szenerie hatte etwas erstaunlich Anrührendes. Alle Beteiligten, die Ausländer genauso wie die Einheimischen, spielten bei einem Spiel mit, das »Lasst uns so tun, als wäre das Empire nie untergegangen« hieß. Die englischen Touristen schwelgten im Glanz ihrer Vorfahren. Und die Einheimischen, gekleidet in die Landestracht, gaben sich bereitwillig dafür her, für einen Moment die Träume der Touristen mit Tee aus Silberkannen zu verwirklichen – gegen einen entsprechenden Preis, natürlich. Als der Himmel seine Schleusen öffnete, flüchteten sich alle schnell unter das schützende Dach der Magnolie.
Ein Mann am Straßenrand erklärte uns, dass wir mit dem Auto nur dreißig Minuten zum Botanischen Garten bräuchten. Da ich Bedenken hatte, erst nach Einbruch der Dunkelheit in unserem Hotel anzukommen, meinte ich, wir könnten auf den Besuch des Botanischen Gartens vielleicht verzichten. Aber der Mönch beharrte darauf, wir dürften ihn keinesfalls
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