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Kater mit Karma

Kater mit Karma

Titel: Kater mit Karma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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man kaum Luft.
    Die Frau, die auf dem Bett lag, war so ausgemergelt, dass sie nur noch aus Haut und Knochen bestand. Die Nonne beugte sich über sie und zog ihr behutsam eine Baumwolldecke über die dünnen Beine. An dem mageren, ledrigen Arm ihrer Mutter hing eine primitive Infusion. Die Lippen ihres zahnlosen Mundes waren zurückgezogen, als litte sie permanent Durst.
    Ihre Augen jedoch funkelten, als würde sie intensiver leben als jemals zuvor. Ihr Lächeln war so strahlend, dass es den Raum leuchten ließ. Mit einer verwelkten Hand griff sie nach Lydias Ärmel und sagte etwas auf Singhalesisch zu ihr.
    »Sie sagt, sie freut sich sehr, dich kennenzulernen«, übersetzte Lydia. »Und sie wünscht dir ein langes Leben.«
    Ich nahm die Hand der alten Frau und strich über die runzlige Haut, die sich überraschend weich und warm anfühlte. Von jemandem, der der Geisterwelt so nahe war, den Segen für ein langes Leben zu erhalten, war eine große Auszeichnung.
    Die Nähe, die ich zu ihr empfand, erinnerte mich an den Kreis von Frauen, die mir geholfen hatten, meine Krebserkrankung zu überstehen, und an die ungeheure Fähigkeit, uns gegenseitig Kraft und Licht zu spenden. Ich hoffte, dass ich eines Tages in der Lage sein würde, den Segen, den mir die Mutter der Nonne erteilt hatte, an andere Frauen weiterzugeben, junge und alte – und jeder von ihnen ein langes Leben voller Liebe zu wünschen.
    Nachdem wir uns bei der Familie der Nonne bedankt und das Haus verlassen hatten, war ich lange stumm. Ich hatte mich davor gefürchtet, in dieses Land zu kommen, doch in der kurzen Zeit, die ich jetzt hier war, hatte Sri Lanka mich bereits mit unerwarteten Reichtümern überhäuft. Die flauschhandtuchabhängige, angstbesessene Person, in die ich mich verwandelt zu haben glaubte, hatte der lebenslustigen Abenteurerin Platz gemacht, die ich früher gewesen war.
    Die herzliche Aufnahme durch die Nonne und ihre Familie war ein kostbares Geschenk. Der Segen ihrer sterbenden Mutter machte den Kreis von Frauen stärker denn je. Ganz gleich, wie alt wir sind oder aus welchem Land wir stammen, Frauen können einander sehr viel Kraft und Unterstützung geben.
    Und nicht nur das, ich hatte einen Ort gefunden, an dem alte Menschen nicht verachtet, sondern als Segensspender betrachtet wurden.
    Aber was am wichtigsten von allem war, ich war der Tochter, von der ich glaubte, ich hätte sie verloren, wieder nähergekommen.
    Kein Wunder, dass diese Insel früher Serendip geheißen hatte, das Land der glücklichen Zufälle.

41.
Schülerin
    Geheime Nonnensache.
    Keuchend und stotternd hielt das Tuk-Tuk unterhalb des Klosters, während sich darüber schwarze Schwämme am Himmel ballten. Gesänge schwebten durch das Tal – männliche Stimmen, ein wenig melodischer als diejenigen, die mich vor Sonnenaufgang geweckt hatten.
    Lydia sagte, sie kämen aus einer Moschee auf einem nahe gelegenen Hügel. Lächelnd senkte ich den Kopf. Die Menschen in diesem Land gingen völlig in der Religion auf. Zweifel sang man einfach weg.
    Die ersten Regentropfen fielen auf Stufen und Bäume. Dann wurden sie größer und schlugen auf tellergroße Blätter, als wären es Trommeln. Hastig liefen wir die Stufen hinauf. Die Wolken zogen sich noch enger zusammen und es begann wie aus Kübeln zu schütten. Das Geräusch ertränkte die fernen Gesänge und jede menschliche oder tierische Stimme.
    Die ältere Nonne lächelte freundlich, als wir unsere Schuhe auszogen und schnell in ihre Unterkunft schlüpften. Ich entdeckte einen nicht Mönchen vorbehaltenen Stuhl und setzte mich, um wieder zu Atem zu kommen.
    Plötzlich riss die junge Nonne erschreckt die Augen auf. Sie schnappte nach Luft und deutete auf eine Stelle auf dem Boden unweit der Tür. Ein glänzender Skorpion von der Größe eines riesigen Krebses marschierte über die Fliesen, den Schwanz angriffslustig in die Höhe gestreckt.
    »Nicht bewegen!«, flüsterte die Nonne und griff nach einem Besen. »Der Regen treibt sie herein.«
    Jedes Jahr sterben tausende Menschen an Skorpionstichen. Es heißt, auf jeden Menschen, der von einer Giftschlange getötet wird, kommen zehn, die einem Skorpion zum Opfer fallen. James Bond hatte Angst vor Skorpionen. Diese buddhistische Nonne hier nicht.
    Sie schnappte sich einen Besen, beugte sich nach vorne und verfolgte das bis zur Schwanzspitze bewaffnete Spinnentier. In ihrer Konzentration und Körperspannung erinnerte sie mich an Jonah, wenn er auf der Jagd war. Erst dachte

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