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Kater mit Karma

Kater mit Karma

Titel: Kater mit Karma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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ich, sie wollte den Skorpion töten, aber dann wurde mir klar, dass die Sache nicht so einfach war. Ein Lebewesen zu töten, und sei es ein Skorpion, verstieß gegen ihre Religion. Die Frau wollte uns schützen und den Skorpion entfernen, ohne ihn töten zu müssen.
    Mit größtmöglichem Abstand stieß sie das Tier mit dem Besen an. Der Skorpion rührte sich nicht vom Fleck und hob drohend eine seiner Scheren. Jetzt war Schnelligkeit angesagt. Den Besen in der einen Hand kehrte die Nonne den Skorpion entschlossen Richtung Tür, mit der anderen Hand öffnete sie die Tür und dann expedierte sie das Tier nach draußen.
    Unter dem Beifall der älteren Nonne und von Lydia und mir warf sie die Tür schnell zu. Ein bemerkenswertes Beispiel von Mut und Geschick.
    Mit einem bescheidenen Lächeln verneigte sich die Nonne und stellte den Besen weg.
    Wir lachten und tranken zur Feier des Tages süßen Tee. Die junge Nonne fragte, ob Schwester Lydia und Schwester Helen Lust hätten zu singen. Nun ja, andere Länder, andere Sitten.
    Während die junge Nonne den Gebetsraum vorbereitete, fragte ich die Oberin, wie sie ihre Berufung gefunden habe.
    »Ich war eine gute Schülerin«, erwiderte sie. »Mein Vater wollte nicht, dass ich ins Kloster gehe. Er wollte, dass ich mir eine Stelle suche. Aber ich wollte Frieden und Glück in mir finden und anderen Menschen helfen.«
    Sie war in keiner Weise unzufrieden mit ihrer Entscheidung. Viel Zeit verbrachte sie bei den Kranken in Krankenhäusern und sie war ein wichtiges Mitglied ihrer Gemeinde, wo sie sich vor allem für die Belange von Frauen einsetzte. Wir waren annähernd gleichen Alters, aber unsere Leben hätten unterschiedlicher nicht sein können.
    »Lydia, meine Tochter!«, sagte sie, legte sich die Hand aufs Herz und lächelte sie voller Liebe an.
    Lydia erwiderte ihr Lächeln. Vor nicht allzu langer Zeit wäre ich eifersüchtig gewesen, wenn eine andere Frau Lydia als ihre Tochter bezeichnet hätte. Das war vorbei. Eigentlich geht es bei der Elternschaft nur darum, dass man seine Kinder an irgendeinem Punkt gehen lassen muss . Wenn eines unserer Kinder außerhalb des engsten Familienkreises Liebe fand, egal welche Form sie annahm, dann freute ich mich mit ihm.
    Es war immer noch nicht der richtige Moment gekommen, Lydia zu fragen, was sie auf Dauer vorhatte. Wenn sie Nonne werden wollte, dann, so wurde mir klar, würde sie hier geliebt werden und gut aufgehoben sein.
    Die ehrwürdigen Nonnen begleiteten uns zu einem Alkoven, der vom Hauptraum abging. Eine Buddhastatue lächelte aus einem Nest aus Blumen und Kerzen freundlich auf uns herunter. Lydia reichte mir ein Gebetbuch – so sah es jedenfalls aus – in einer schnörkeligen Schrift.
    Gottesdienste hatte ich schon immer als quälend langweilig empfunden und hier kam erschwerend hinzu, dass ich mich im Schneidersitz auf den Boden setzen musste, aber ich wollte unbedingt dabei sein. Eine Küchenhelferin erschien und setzte sich zu uns.
    Als die Nonne vor dem Altar Platz nahm und anfing, hypnotische Phrasen zu rezitieren, nickte ich ein. Lydia stupste mich an und deutete auf die Lautschrift in dem Gebetbuch. Aber obwohl ich versuchte, dem Text zu folgen, verstand ich nichts. Ich fühlte mich an die Sonntage meiner Kindheit in der Kirche St. Mary erinnert, wenn meine Mutter auf die Zeilen in dem Gesangsbuch deutete, die genauso wenig entzifferbar waren.
    Damals hatte Religion mir Angst gemacht. Der Vikar hatte sich irgendein irres Universum ausgedacht. Warum redete er dauernd vom irdischen Jammertal, wenn wir doch einen wirklich hübschen Park mit Ententeich um die Ecke hatten? Ging man nach ihm, war unser Städtchen ein einziger Sündenpfuhl. Ich wünschte mir damals, wir könnten irgendwohin ziehen, wo nicht so viele schlechte Menschen lebten. Wenn er dann nach dem Gottesdienst an der Kirchentür stand, um seine Gemeinde zu verabschieden, hätte ich alles getan, um ihm nicht die weiche, fleischige Hand schütteln zu müssen.
    Die singende Nonne reichte der Küchenhelferin das Ende einer weißen Baumwollschnur, die Küchenhelferin reichte es an Lydia weiter und die wiederum an mich. Gemeinsam hielten wir die Schnur. Sie zog sich im Zickzack durch den Raum, während wir weitersangen. Als offenbar genug gesungen worden war, wurde die Schnur wieder aufgewickelt und der Nonne zurückgegeben.
    Und wieder fühlte ich mich in meine Kindheit zurückversetzt, als ich mich während meiner kurzen, erfolglosen Karriere bei den

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