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Kater mit Karma

Kater mit Karma

Titel: Kater mit Karma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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sah ein Bild vor mir, wie sie mit zwei Kindern und einem liebevollen Ehemann vor einen Flachbildfernseher saß – aber das ging dann wohl doch etwas zu weit. Vielleicht, wie sie mit einem Architekten-Verlobten Möbel für eine Wohnung am Montmartre aussuchte? Oder mit einem hingebungsvollen Doktor der Philosophie in einer Dachwohnung in Berlin Prosecco trank? Alles war möglich.
    Ich hatte die Ereignisse in Sri Lanka weiterhin verfolgt. Gerade erst hatten Regierungstruppen die Stadt Kilinochchi im Norden eingenommen, zehn Jahre lang Verwaltungssitz der von den tamilischen Separatisten kontrollierten Gebiete. Der sri-lankische Präsident sprach von einem wichtigen Sieg und drängte die Rebellen zur Kapitulation.
    Eine Welle der Aufregung erfasste die Anwesenden, als die Musiker die unverkennbaren ersten Töne des Pachelbel-Kanons anstimmten. Das getragene Stück, bei dem oft Trompeten und andere »ernsthafte« Instrumente eingesetzt werden, klang so, von zwei Gitarren gespielt, munterer. Jeder wusste, was es bedeutete. Köpfe drehten sich. Erwartungsvolle Blicke richteten sich auf die Tür am Ende der Kapelle. Durch die bernsteinfarbenen Glasscheiben drang goldenes Licht. Hinter dem Glas bewegte sich etwas. Die Musiker setzten zu einer zweiten, noch etwas lebhafteren Runde an. Die Gäste verstummten. Die Tür blieb zu.
    Die Hochzeitsgesellschaft wurde unruhig, während die Temperatur von angenehm warm auf stickig stieg. Selbst Rob, mit dem Rücken zu uns, begann mit dem rechten Bein zu zucken. Hatte die Braut irgendeinen schrecklichen Schaden an ihrem Kleid entdeckt, verursacht durch unsere ungestüme Katze?
    Noch eine Runde des Pachelbel-Kanons ertönte, jetzt klang er nicht mehr ganz so fröhlich. Die Gäste begannen zu flüstern, dann immer lauter miteinander zu reden. Sie standen kurz davor, die Hoffnung aufzugeben, dass dieser modernisierte Hochzeitsmarsch zu irgendeinem Höhepunkt führen würde. Und falls die Braut doch noch auftauchen sollte, dann bestimmt erst zu einer weiteren Runde von …
    Die Tür ging auf. Eine dunkelhaarige Brautjungfer, deren Lippen genauso rot leuchteten wie ihr Kleid, schritt den Gang entlang. Ihre Beine, gebräunt und durchtrainiert, näherten sich dem Altar. Eine umwerfende junge Frau, aber alle Augen waren auf die Erscheinung ein paar Meter hinter ihr gerichtet.
    Ein Seufzen ging durch die Kapelle, als Chantelle am Arm ihres Vaters an uns vorbeischwebte. Das Kleid, das Jonah so fasziniert hatte, schimmerte rosa und pfirsichfarben. Das weiche Licht ließ den Perlenbesatz der Korsage schimmern, als wäre dieses Kleid extra für diese Kapelle entworfen worden. Mit ihren von einer einzelnen Rose geschmückten hochgesteckten Haaren sah Chantelle einfach hinreißend aus.
    Rob hielt es keine Sekunde länger aus und drehte sich um, um seine Braut zu bewundern. Sein Lächeln wurde von den Wänden zurückgeworfen, als Chantelle ihn mit ihren blauen Augen anstrahlte. Kein Sonett wäre diesem Augenblick gerecht geworden – eine vibrierende Nanosekunde, im Nu vorbei, aber so unvergänglich wie die Sonne. Jeder im Raum spürte die Liebe zwischen diesen beiden Menschen.
    Vor meinen Augen verschwamm alles. Der Erfinder von wasserfester Wimperntusche war ein Genie. Der Erfinder von Papiertaschentüchern belegte knapp dahinter den zweiten Platz. Im Lauf der Jahre musste hektoliterweise Wasser aus meinen Augen geflossen sein. Dieses Mal waren es Freudentränen.
    Nach der Trauung strömten die Gäste in den Festsaal und suchten sich ihre Plätze. Die Türen zur Terrasse wurden geöffnet. Die warme Abendbrise war wie ein sanfter Kuss. Auf Essen, Champagner und Gelächter folgten mehr Essen, Champagner und Gelächter. Und Reden.
    Obwohl ich Andrew, den Trauzeugen, kannte, seit er ungefähr vierzehn war, hatte er nur selten mehr als zwei Sätze auf einmal mit mir gesprochen. Er machte auf mich einen so schüchternen Eindruck, dass ich mich gefragt hatte, wie er mit seiner Rolle als Trauzeuge zurechtkommen würde. Doch als Andrew sich erhob, um den traditionellen Toast auszusprechen, verwandelte er sich in den Seinfeld der Südlichen Hemisphäre.
    Andrew zerrte ein paar Dinge ans Licht, von denen Rob es vorgezogen hätte, wenn sie im Dunkeln geblieben wären – einschließlich der unerlaubten Entfernung einer Neonröhre aus einem Pissoir. Chantelles Bruder hielt eine Rede im Namen seiner Familie. Philip erhob sich und sprach ein paar Worte, anschließend Steve.
    Nach den Reden griffen die Gäste zu

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