Kater mit Karma
Familie – obwohl ich mir kaum vorstellen konnte, dass er sich an irgendwelche Konventionen gehalten hätte.
Ich musste auch an meine Eltern denken und daran, wie gerne sie gefeiert hatten. Dad hätte mit funkelnden Augen das Büfett geplündert. Mum, in einem atemberaubenden, eigens für diesen Anlass zusammengestellten Outfit, hätte wild gestikulierend mit einer fantastischen Geschichte eine Schar von Bewunderern um sich versammelt.
Aber sie waren auch so alle bei uns, legten sich um uns wie ein schimmerndes Band. Sie steckten in unserem Lachen, in unseren Macken, unseren Gesichtszügen. Sie würden immer ein Teil von uns sein. Wenn ich die Augen zusammenkniff, konnte ich beinahe eine kleine schwarze Katze sehen, die um Robs Knöchel strich. Ja, auch Cleo war bei uns.
Lydia sah in ihrem Blumenkleid und dezentem Make-up einfach hinreißend aus und brachte etwas von Mums Glamour mit, als sie durch die Tür trat. Und als ich Katharine dabei zusah, wie sie in ihrem lila Kleid herumwirbelte und ihre frisch aufgedrehten Locken fliegen ließ, musste ich an Mums Hang zu theatralischen Auftritten denken.
Im Vorbeigehen erhaschte ich einen Blick auf Rob, der vor dem Badezimmerspiegel den Sitz seiner goldfarbenen Krawatte überprüfte, und sah meinen stilvollen, feinfühligen Vater. Vergangenheit und Gegenwart feierten ein gemeinsames Fest.
Stattlich wie ein junger Prinz, gab Rob mir einen feuchten Kuss auf die Wange. Unser Sohn war zu geerdet, um sich darüber im Klaren zu sein, dass er wie ein Filmstar aussah. Er und Andrew stiegen in eins der Autos, um dem alten Brauch folgend als Erste in der Kapelle zu sein.
»Fertig?«, fragte Philip und nahm meine Hand. Katharine und Lydia waren es noch nicht. Obwohl sie so frisch und hübsch wie Sommerblumen aussahen, mussten beide unbedingt noch einen Hauch Lipgloss auftragen. Taschentücher, Lippenstifte und Puderdosen wurden in Abendtäschchen verstaut. Ich überprüfte meine wasserfeste Wimperntusche. Endlich fiel die Tür des Cottage hinter uns ins Schloss.
24.
Feier
Segen hat viele Formen.
Der Gesang einer Feldlerche erfüllte die Luft, als Philip, Katharine, Lydia und ich den grasbewachsenen Weg zum Kloster hinaufkletterten, das mit seinem von einer Kuppel gekrönten Turm hoch über uns aufragte. In den Lavendelbüschen summten Bienen. Petunien blühten leuchtend rot und weiß. Unter uns lagen die Dächer von Daylesford und verschmolzen mit den golden schimmernden Feldern und blauen Hügeln.
Rob und Andrew kamen in ihrem Auto ein paar Sekunden nach uns an. Zu Fuß wären sie schneller gewesen. Von einem Balkon winkten uns Gäste zu. Sie hatten sich zeitig eingefunden. Wir waren nicht die Einzigen, die aufgeregt waren.
Der Fotograf begrüßte uns und ließ uns Aufstellung für Familienfotos nehmen. Er tat so, als würden ihn die Amateure, die direkt neben ihm eifrig auf den Auslöser drückten und ihm seine Bilder klauten, nicht stören. Seine Fotos würden auf jeden Fall besser, meinte er.
Ich fragte mich, wie hundert Leute in die winzige Kapelle passen sollten, aber sie quetschten sich jeweils zu viert oder fünft auf eine der einfachen Holzbänke. Das Innere der Kapelle war schlicht, ein hoher Raum mit Holzfußboden. Die honigfarbenen Wände waren durchdrungen von Gebeten aus mehr als hundert Jahren. Auf dem Altar brannten neben einem riesigen Strauß cremefarbener Rosen drei Kerzen.
Gott sei Dank gab es außer den Buntglasscheiben über dem Altar keine Fenster. So waren wir vor der Hitze geschützt. Mit etwas Glück würden auch unsere empfindlicheren Gäste die Trauung unbeschadet überstehen.
Die Luft knisterte vor gespannter Erwartung, während zwei Gitarristen ein Stück von Cole Porter spielten. Wie Rob da in seinem eleganten Anzug mit auf dem Rücken verschränkten Händen am Altar stand, hätte man ihn für einen Thronfolger halten können. Seine Zähne blitzten strahlend weiß, wenn er hin und wieder ein paar Worte mit seinem Trauzeugen wechselte.
»Ich habe eigentlich nie vorgehabt zu heiraten« flüsterte Lydia, holte ein Taschentuch aus ihrem Täschchen und betupfte sich damit die Augen. »Und wenn doch, dass ich zumindest nicht so ein Trara darum mache. Aber Hochzeiten sind schon etwas Besonderes.«
In meinem Brustkorb schmolz etwas. Die Freude darüber, Rob am Traualtar stehen zu sehen, wurde einen Moment lang von der Vorstellung überlagert, dass Lydia vielleicht nicht völlig abgeneigt war, ihr Glück auf konventionellem Weg zu finden. Ich
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