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Kater mit Karma

Kater mit Karma

Titel: Kater mit Karma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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aufbrachten, zu fragen, erklärte ich, dass Greg ein paar Zentimeter Haut aus dem rechten Warzenhof schneiden, auf den Hubschrauberlandeplatz transplantieren und dabei in der Mitte einen kleinen Knubbel formen würde. Und wo er schon einmal dabei war, würde er sich auch den kleinen Hautlappen an meiner Bauchnarbe, der wie ein Hundeohr aussah, »vornehmen«.
    Was für Greg eine vormittägliche Routinebeschäftigung war, sah für mich am anderen Ende des Skalpells ganz anders aus. Leute, die sich damit auskennen, sagen, so etwas wie einen einfachen Eingriff gibt es nicht. Ein Ausrutscher mit dem Messer oder ein Schlauch an der falschen Stelle und …
    Mit dem Prozedere inzwischen vertraut, legte ich Kleidung und Schmuck ab, zusammen mit meiner Würde und allem anderen, was mich mit der Welt draußen verband, und verstaute meine Habseligkeiten in einem Schließfach. Krankenhäuser sind so. Man ergibt sich ihnen. Es hilft, wenn man sich sagt, dass Chirurgen und Krankenschwestern hochqualifiziert sind. Sie wissen, dass das Leben des Patienten ein zitternder Spatz in ihrer Hand ist.
    Wenn ein Operationsteam eine Rockband wäre, dann wäre der Chirurg der Leadgitarrist und die Krankenschwestern gäben den Backgroundchor. Der Typ, der die Trage schiebt, säße am Schlagzeug. Und der Anästhesist? Der wäre der Bassist. Wie alle guten Bassisten neigt der Anästhesist zu einem eher bescheidenen Ego, jedenfalls verglichen mit dem des Chirurgen. Der Anästhesist weiß, dass er wichtig ist, aber er fühlt sich unterbewertet. Es lohnt sich, ihm in den wenigen Augenblicken, die man in wachem Zustand mit ihm verbringt, ein bisschen zu schmeicheln und eine Beziehung zu ihm aufzubauen, weil er die meisten Möglichkeiten hat, dich umzubringen.
    Flach auf dem Rücken liegend und mit einer blauen Duschhaube auf dem Kopf, versuchte ich meinen Charme spielen zu lassen, aber der Brustwarzenanästhesist reagierte nicht darauf.
    »Das ging aber schnell«, sagte ich, als er mir lediglich drei Fragen stellte und dann ein Zeichen gab, dass man mich in den OP schieben könnte.
    »Beim letzten Mal haben Sie sieben Stunden überstanden«, erwiderte er ziemlich kühl. »Da werden Sie die vierzig Minuten wohl auch schaffen.«
    Ein Nadelstich. Kalte Flüssigkeit in meinem Arm. Gute Nacht.
    Das Aufwachen dauerte lange. Bauchschmerzen. Kopfweh. Übelkeit. Rauer Hals. Schlimmer noch, ein Schild an der Tür, auf dem »Unterlagen für die Labor’s hierlassen« stand. Eine Krankenschwester fragte mich, ob es mir gutginge. Nicht mit einem falschen Apostroph im Raum. Niemals hätte ich ihnen mein Leben anvertraut, wenn ich gewusst hätte, dass sie die Verwendung von Apostrophen nicht beherrschten.
    Zu Hause weinte ich vor Schmerz, wenn ich die blutigen Verbände wechselte. Wieder wie eine »richtige« Frau auszusehen brachte übermäßiges Leiden mit sich.
    Manchmal fragte ich mich, was meine Mutter an meiner Stelle getan hätte. Für eine Frau ihrer Generation war sie sehr auf ihr Äußeres bedacht gewesen. Mit ihrem sicheren Stilempfinden hatte sie es noch als über Siebzigjährige geschafft, dass man sich nach ihr umdrehte. Sie hatte versucht, etwas davon an mich weiterzugeben. Als wir gemeinsam meinen ersten BH kaufen gingen, war ich überrascht, wie sehr so ein Ding kniff und in die Haut schnitt. Kurze Zeit später quetschte sie mich in Hüfthalter und Strümpfe, einen Bindengürtel mit riesigen Sicherheitsnadeln und einer surfbrettgroßen Binde, und als Krönung ein Korsett ( Das ist nur ein ganz leichtes, Schatz. ) Es war die reinste Folter, eine »richtige« Frau zu sein.
    In meiner Situation hätte sich meine Mutter zweifellos für das volle Wiederaufbauprogramm einschließlich Brustwarze entschieden. Außerdem musste ich auch an Philip denken. Nicht zu vergessen ein Rest eigener Eitelkeit.
    Meine Rekonvaleszenz verlief schleppender, als »ein Routineeingriff« vermuten ließe. Lydia schaltete wieder in den Pflegemodus, sorgte für ständigen Nachschub an Kaffee von Spoonful und kümmerte sich um das Essen. Jonah schien ebenfalls zu begreifen, dass ich Schmerzen hatte und schmiegte sich im Bett an mich, als wollte er sagen: Na, wie wär’s mit einem gemütlichen kleinen Nickerchen? Ich schöpfte Trost aus dem Wissen, dass ich die Brustwarze in ein paar Monaten, wenn alles verheilt war, nur noch ein bisschen dunkler tätowieren lassen musste.
    Der Anblick von Philip mit einem Blumenstrauß in der Diele schien unserem Kater einen Stromstoß zu

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