Kater mit Karma
versetzen. Seine Augen wurden zu zwei schillernden Untertassen, er spitzte die Ohren, seine Schnurrhaare ähnelten straff gespannten Drahtseilen.
Unter heftigem Miauen stellte Jonah sich auf die Hinterbeine und streckte sich bis zu Philips Oberschenkeln. Mit den Vorderpfoten trat er bettelnd gegen Philips Hüften.
Jonah interessierte sich nicht für die Blumen, auch nicht für das Zellophan oder das Papier, in das sie eingewickelt waren. Er wollte das Band.
Jonahs Leidenschaft galt jedoch nicht wahllos allen Bändern. Es musste das richtige Band aus dem richtigen Blumenladen sein, das hieß, eine bestimmte Art von Satinband aus einem Laden namens »Sag es mit Blumen« in der Nähe unseres alten Hauses. Wann immer jemand mit dem falschen Band um einen Blumenstrauß herum aufkreuzte, gab Jonah eine theaterreife Vorstellung. Nach der ersten Aufregung untersuchte er den Strauß und stellte fest, dass sie mit einem steifen Polyesterband zusammengebunden waren oder einem breiten Seidenband, oder irgendetwas anderem Inakzeptablen. Angewidert kniff er die Augen zusammen, ließ den Schwanz hängen und verzog sich beleidigt.
Wenn die Blumen jedoch aus dem richtigen Blumenladen stammten und mit dem richtigen Band zusammengebunden waren, geriet Jonah in Ekstase. Kaum dass die Blumen auf dem Tisch abgelegt wurden, stürzte er sich darauf und begann an dem Band zu zerren und zu kauen. Für gewöhnlich versuchte ihn der zu dem Strauß gehörige Mensch zu verscheuchen und wickelte – zu Jonahs großer Freude – die Blumen aus. Sobald das Band gelöst war, machte Jonah einen Satz, packte es mit den Zähnen und trug es triumphierend davon wie ein Roulettespieler, der gerade die Bank gesprengt hatte.
Voll Stolz und Freude schleppte er das Band Tag und Nacht mit sich herum und bettelte jeden an, mit ihm »Jonah und das Band« zu spielen. Es gab unzählige Varianten dieses Spiels. Das Band konnte eine Schlange sein, die sich auf dem Teppich wand, ein Vogel, der durch die Luft glitt, eine Maus, die sich unter einem Kissen versteckte. Manchmal lief er damit so lange um einen Stuhl herum, bis dessen Beine gefesselt waren.
Wochenlang waren Jonah und sein Band unzertrennlich, bis das Objekt seiner Begierde an beiden Enden auszufransen begann und nur noch ein Fetzen war. Doch selbst dann weigerte sich unser Kater, von seinem Schatz abzulassen.
Besorgt, dass verschluckte Fäden seiner Verdauung schaden könnten, wartete ich, bis seine Aufmerksamkeit von einem Falter oder einem Schatten auf dem Küchenboden abgelenkt wurde, und entsorgte sein geliebtes Spielzeug im Mülleimer.
Jonah hinterher dabei zuzusehen, wie er nach seiner verlorenen Liebe suchte, war herzzerreißend. Ich ging heimlich in den Blumenladen und fragte, ob ich ein paar Meter Band ohne Blumen haben könnte. Die Frau hinter dem Ladentisch sah mich an, als hätte ich sie nicht mehr alle. Indem ich ihr von Jonahs Liebesleid erzählte, entlockte ich ihr immerhin ein Lächeln.
»Hat Ihre Katze eine Lieblingsfarbe?«, fragte sie und strich über die Bänder, die verführerisch glänzend an einem Haken an der Wand hingen. Wenn Jonah das gesehen hätte, wäre ihm die Erfahrung religiöser Ekstase zuteilgeworden.
»Rosa«, erwiderte ich. »Obwohl er ein Kater ist. Ein Siamese, was es vielleicht erklärt. Manche Leute behaupten allerdings, er sei ein Tonkanese …«
Die Frau starrte mich an. So genau hatte sie es wohl nicht wissen wollen. Immerhin war sie freundlich genug, mir das Band zu geben und in regelmäßigen Abständen Nachschub zu liefern. Ich versuchte, Jonahs Leidenschaft unter Kontrolle zu halten und gab ihm immer nur ein kürzeres Stück, bis er es aufgerieben hatte.
Doch schon bald ließ die Disziplin nach. Überall im Haus tauchten Bänder in verschiedenen Stadien des Gebrauchs auf, vor allem in unserem Schlafzimmer, wo sie Boden, Bett und Nachttischchen zierten. Ich fragte mich, was die Putzfrau dachte. Vermutlich glaubte sie, wir würden sie für ausgefallene Sexspiele benutzen.
Obwohl Jonah immer noch sehr anhänglich war und sein allmorgendliches Spiel mit Philip mit Angelrute und Bändern genoss, wirkte er irgendwie unzufrieden mit seinem Leben. Nicht einmal sein exklusives, mit Katzengras und Katzenminze ausgestattetes Gehege im Freien genügte ihm mehr. Nach einer halben Stunde in einer der Hängematten, in der er der Häme der fetten Tauben auf dem Zaun ausgesetzt war, kam er ins Haus getrottet und wollte gestreichelt oder auf den Arm genommen
Weitere Kostenlose Bücher