Kater mit Karma
werden.
Wenn ihm seine menschlichen Hausgenossen nicht genug Aufmerksamkeit schenkten, patrouillierte er durchs Haus, glitt wie ein Haifisch von Zimmer zu Zimmer und suchte nach Fluchtwegen. Es verletzte mich, dass Jonah immer noch davonlaufen wollte. Manchmal war es ziemlich peinlich, wenn er sich eine seiner Eskapaden leistete und wir auf der Suche nach ihm die Straßen durchkämmen mussten.
Eines Abends, als er sich durch die einen Spalt offen stehende Tür gequetscht hatte und Katharine, Lydia und ich uns wieder einmal auf die Jagd nach ihm begeben mussten, entdeckten wir ihn, wie er die Straße hinuntertrottete. Vom anderen Ende her kam ihm an der Leine seines Besitzers ein großer schwarzer Hund entgegen. Überzeugt davon, dass er im Handumdrehen mit dem Hund fertigwerden würde, erhöhte Jonah sein Tempo. Die Mädchen und ich schrien auf, als sich die beiden Tiere immer näher kamen. Eine Konfrontation war unvermeidlich. Jonah würde als Hundefutter enden.
Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, wie es einem an sich klugen Tier so sehr an grundlegender Einsicht fehlen konnte. Was ließ Jonah glauben, er könnte es mit einem Hund aufnehmen, der siebzehnmal so groß war wie er? Ich schloss die Augen, um das Drama nicht mit ansehen zu müssen.
Ein tiefes Bellen ertönte. Der freudige, zuversichtliche Laut, den Jagdhunde von sich gaben, wenn sie wussten, dass sie einen Fuchs erwischt hatten.
Plötzlich spürte ich einen Lufthauch an meinen Füßen. Ich öffnete die Augen und sah einen schoko-sahne-farbenen Blitz zwischen meinen Beinen durchschießen und unter meinem Auto verschwinden. Ihm auf den Fersen folgte ein Zentner wild entschlossener Hund, seinerseits gefolgt von einem verwirrten Besitzer. Bei dem Versuch, seiner Beute auf direktem Weg zu folgen, warf mich der Hund beinahe um. Dann schlug er einen Bogen um mich und rannte weiter auf mein Auto zu.
»Ist das Ihre Katze?«, fragte der Hundebesitzer ein wenig außer Atem. »Spike will nur spielen. Sehen Sie? Er wedelt mit dem Schwanz.«
Das Bellen nahm eine ohrenbetäubende Lautstärke an, während ich versuchte, Jonah zu einem Tête-à-Tête aus seinem Versteck hervorzulocken. Jonah zeigte jedoch wenig Neigung. Er blieb, wo er war, und gab ein tiefes, heiseres Muhen von sich.
Der Hund wich überrascht zurück.
»Ich habe noch nie gehört, dass eine Katze wie eine Kuh muhen kann«, sagte der Hundebesitzer.
Nach wie vor teilten Jonah und Lydia die Sehnsucht nach einem weiteren Horizont. Der Besuch des Mönchs hatte unsere ältere Tochter erneut rastlos gemacht.
Mein Herz zog sich zusammen, wenn sie davon sprach, nach Sri Lanka zurückzukehren. Ich spitzte besorgt die Ohren, wenn sie mit dem Kloster telefonierte. Jedes Mal wenn sie mit einem Fremden am anderen Ende der Leitung sprach, war ich verblüfft zu hören, wie ihre Stimme in die melodische Sprache wechselte, die sie für ihre Gesänge benutzte.
Sie hatte seit jeher ein gutes Ohr für Sprachen gehabt, aber es war wirklich erstaunlich, wie schnell sie Singhalesisch gelernt hatte. Ihre Sätze klangen flüssig und ihr Gesprächspartner, wer immer es war, konnte sie offenbar problemlos verstehen. Je häufiger ich Lydias geheimes Leben belauschte, desto rätselhafter erschien es mir.
Wenn sie sich die Mühe machte, die Sprache zu lernen, glaubte sie offensichtlich, irgendeine Art von Zukunft in Sri Lanka zu haben. Ich verfolgte weiterhin die Nachrichten. Noch immer wurde das Land von Gewalt beherrscht, und jetzt näherte sich der seit fünfundzwanzig Jahren andauernde Krieg einem blutigen Ende. Am 16. Mai 2009 verkündete der sri-lankische Präsident den Sieg über die tamilischen Separatisten. Eher eine Atempause als ein Waffenstillstand, meinten einige.
Ich hoffte jedoch, es könnte bedeuten, dass ich mir in Zukunft keine so großen Sorgen mehr machen musste, falls Lydia beschloss, wieder nach Sri Lanka zu gehen.
Eines Nachts klingelte kurz vor zwölf das Telefon, und ich tastete beunruhigt nach dem Hörer. Seit Sams Unfall reagierten meine Nerven empfindlicher und unerwartete Anrufe stellten sie jedes Mal vor eine Zerreißprobe. Wenn ich gefragt wurde, was ich mir zum Geburtstag wünsche, antwortete ich stets, alles außer einer Überraschung.
Zu meiner Verblüffung war am anderen Ende Louise, meine Verlegerin in Sydney. Sie klang aufgeregt. Ich holte tief Luft und machte mich auf schlechte Neuigkeiten gefasst.
Louise sagte, ihre Kollegen hätten Cleo auf die Londoner Buchmesse mitgenommen
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