Kater Serano ermittelt 01 - Katzengold
schien auch nicht da zu sein. Serrano hatte den Vormittag abwechselnd hier am Haus und, als sie auf sein wiederholtes Rufen nicht reagiert hatte, an den Orten zugebracht, von denen er wusste, dass sie sich dort gern aufhielt. Auf der Baustelle hinter der Bar hatte er Nils beim Auftragen dunkler Erde auf zwei Beete angetroffen. Die neue Terrasse, Aurelia hatte ihm davon erzählt.
Am Rand der Baustelle stand der Nachrichtenbaum mit den Geburts-, Todes- und Kontaktanzeigen, Neuzugängen und Vermisstenmeldungen. Maja, seine langjährige Geliebte, hatte gestern entbunden, in der Nansenstraße war Rattengift gesichtet worden, und der friedliche Ben lud seinen Freund Streuner zu einem Treffen vor den größeren der beiden Blumenläden des Viertels ein. Sonst nichts, und Serrano fügte dem auch nichts hinzu.
Auf dem Spielplatz traf er seine Tochter Krümel, die bekümmert ein paar Spatzen beim Sandbaden zusah. Sie überlegte lange. Dann sagte sie, es könnte sein, dass sie Aurelia am frühen Morgen vor dem Lebensmittelladen gesehen habe, aber sie war sich nicht sicher. Das war sie nie.
Schließlich endete Serranos Suche, wo sie begonnen hatte: vor Aurelias Haus. Er entschied sich zu bleiben. Schwanger oder nicht: Irgendwann würde der Hunger Aurelia nach Hause treiben.
Er erklomm das Baugerüst, auch das nicht zum ersten Mal an diesem Tag.
Es war Wochenende, also störte ihn keiner der Bauarbeiter, die seit dem letzten Sommer immer wieder einmal am Haus arbeiteten. Im ersten Stock war ein Fenster leicht geöffnet. Musik und das Schreien mehrerer Menschenjungen drangen heraus. Oben bei Aurelia war es still. In einem der Fenster waren die Vorhänge zugezogen, aber es war nicht ihres, sondern das des Mädchens, mit dem Aurelias Besitzerin zusammenwohnte. Serrano äugte durch das andere. Möbel, Stille. Aurelias Korb stand, wie er wusste, hinter dem Polster an der linken Wand, es war von hier aus nicht zu sehen. Er rief sie leise, aber er erwartete keine Antwort und erhielt auch keine. Jedenfalls sah das Zimmer nicht nach Umzug aus. So samtfüßig er konnte, schlich Serrano das Baugerüst wieder hinab. Unten im Hof stand die garstige Alte und kippte einen Eimer Wasser auf ein frisch umgegrabenes Stück Erde. Neben ihr lag ein offenes Netz Kartoffeln. Etwas weiter rechts hatten die Bewohner des Hauses einen neuen Kompost angelegt, und aus der riesigen weißen Truhe, die vor einem Jahr noch ein paar Meter weiter im Lebensmittelladen gestanden hatte, rankten Erdbeeren.
Die Alte war fertig mit ihrem Eimer. »Rheumafelle mache ich aus euch!«, sang sie. »Soll ich dir zeigen, wie?«
Serrano hatte kein Interesse. Er preschte unter dem Gerüst zur Toreinfahrt des Hauses, durchquerte die Einfahrt und verkroch sich im Schutz eines staubigen Oleanders, um zu warten.
Montag
Als Liebermann am Montag gegen zehn das Büro betrat, drückte Kriminalkommissar Uwe Schüler sich gerade eine Tablette in den Mund. Seine linke Wange glänzte lila und hing melancholisch herab. An seinem linken Arm baumelte ein Pulsmessgerät.
»Gab’s Stau zwischen der brandenburgischen Landeshauptstadt und Berlin?«, nuschelte er, ehe er die Pille mit einem schräg eingeflößten Schluck Kaffee hinunterspülte.
»Nein.«
Liebermann ließ sich auf der Kante seines Schreibtisches nieder. Der Schmerz verteilte sich neu. »Marion ist nicht in ihrem Büro.«
Uwe zuckte die Achseln und betastete vorsichtig seine lädierte Gesichtshälfte.
Dann griff er nach einer Thermoskanne, die am Kopfende seiner Schreibtischhälfte stand, und schenkte sich neuen Kaffee in eine Tasse mit der Aufschrift »Platzhirsch«. Er hatte die Tasse zum letzten Julklapp bekommen, und Liebermann wusste auch, von wem. Aber er hatte versprechen müssen, es nicht zu verraten.
»Hast du sie heute schon mal gesehen?«
Uwe überlegte. »Weiß nicht.«
Liebermann seufzte. Montagmorgen. Wobei der Wochentag seine Teamkollegen nicht sonderlich interessierte, wenn es darum ging, sich gegenseitig zu ignorieren. Er erinnerte sich vage, dass Uwe Marion an ihrem ersten Arbeitstag einen Kaffee angeboten hatte, was schon beinahe einem Heiratsantrag gleichkam. Sie hatte mit der Begründung abgelehnt, dass ihr Magen keine zu teerende Straße sei, und stattdessen einen Tee von Liebermann angenommen. Die Zeit hatte ein Übriges getan. Und nun saß Liebermann zwischen zwei jungen Leuten, die sich Akten auf den Tisch schoben, fröhliche Weihnachten und viel Glück zum Geburtstag wünschten und sich
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