Katerstimmung (German Edition)
Wilhelm. «Und da dann nicht mit der vereinseigenen Bibliothek werben, das sind immer noch Fußballer. Ich würd sowieso als Mittelklasseverein immer darauf setzen, entweder junge Spieler zu bekommen, die sich bei deinem Club weiterentwickeln wollen, oder alte, die ihre Karriere langsam ausklingen lassen. Die haben nicht so hohe Ansprüche.» Wilhelm dreht sich kopfschüttelnd weg, und Lenny bemerkt, dass ich meine Aufmerksamkeit gerade dem Weißbart widme, der jetzt schon verdächtig lange die Titelseite des Kölner Express studiert. «Oder Max?»
«Ich hab eigentlich keinen Bock mehr auf das ganze Hier und Da. Ich will einfach einen Spieler, der wirklich zu mir passt. Mit Spielkultur und Charakter. Einen, der nicht kommt, um Geld zu verdienen, sondern einfach weil es passt. Und auch wenn er mal was anderes probiert, will er immer wieder zu meinem Verein zurück, weil er hier zu Hause ist. Einen Poldi eben», sage ich und fühle mich an Ralf Richters Man-braucht-ein-Auto-das-man-lieb-hat-Monolog in Bang Boom Bang erinnert. Wenn der jetzt mit der Kiste zu Tuning-Messen fährt, scheint er aber doch eher der Lover zu sein, der sein Baby bei der ersten Falte gleich zum Botox-Spritzen beim Schönheitschirurgen abliefert.
An der nächsten Station steigt unser Gegenüber aus, lehnt sich aber kurz davor noch einmal zu uns:
«Mer saache hier immer: Mit dä Schüss janz schnell, im Kopp nit wirklich hell. Merkt eusch dat ma.»
Lenny, der das offensichtlich für eine treffende Beschreibung Lukas Podolskis hält, grinst mich an und scheint sich zu freuen, dass der Code schon wieder nicht entschlüsselt wurde. Ich hingegen bin mir da nicht so sicher, weil mir einfällt, dass «dä Schüss» auf Kölsch synonym für attraktive Frauen verwendet wird, will aber Lenny seine gute Laune 3000 nicht vermiesen.
Bei der Ankunft entpuppt sich unser Ziel als WG-Party zweier Sportstudenten, was die vielen flachen Bäuche und Gespräche erklärt. Gastgeber Chris weist uns darauf hin, dass ein Zimmer tabu ist, da seine Mitbewohnerin Patricia «bisschen stresst» und vor der Party zu ihren Eltern geflohen ist. Ansonsten seien wir herzlich willkommen, denn Freunde von Mona und Lynn seien auch seine Freunde. Lynn bezahlt mit einem Schmatzer auf die Backe. Lenny, Wilhelm und ich kämpfen uns zum Kühlschrank vor, der von Gemüse- bis Gefrierfach mit Kölschflaschen gefüllt ist.
«Auf unseren Urlaub», prostet Lenny in unsere Dreierrunde. Scheiße. Hatte ich ja ganz vergessen.
«Ach so, ja, ähm, der Urlaub. Da wollt ich eh noch mal …», stottere ich mich zum Thema, werde aber sogleich von Lenny unterbrochen.
«Ich bin ja für Cala Ratata. Oder so ’nen schönen Singleclub.» Das kann Wilhelm natürlich so nicht stehen lassen.
«Lass doch lieber irgendwohin, wo es ein bisschen entspannter ist. So ’ne Apartment-Geschichte fände ich super. Im Osten ist es zum Beispiel total …»
«Ich kann nicht mit.» Jetzt ist es raus. «Wir kriegen da so ’nen neuen Workflow bei der Arbeit.»
Wenn einer der Flippers seinen Schlagerbrüdern die Teilnahme an der Träume-Liebe-Sehnsucht -Jubiläumstour absagen würde, weil er an der Volkshochschule einen Excel-Kurs machen möchte, würden die vermutlich genauso schauen wie Lenny und Wilhelm jetzt.
«Wie? Das kannst du doch nicht machen. Du brauchst den Urlaub am allerdringendsten. Schau dich doch mal an.» Womit Lenny selbstverständlich vollkommen recht hat.
«Es tut mir leid, ich hätte auch wirklich Lust, aber mein Chef ist kurz davor, mich rauszuwerfen, da war kein Verhandlungsspielraum. Aber trotzdem prost!», strecke ich mein Bier in die Mitte, warte aber vergeblich auf klirrende Zusammenkunft. So langsam realisiere ich, dass die News keine wirklich schöne Alternative zu Urlaub sind. Vor den klaren Himmel mit Sonne schieben sich graue Gewitterwolken, das türkisfarbene Meer färbt sich rot, da Walfänger versehentlich die springenden Delphine abmetzeln, und am Strand verendet ein leichtbekleidetes Bikinimädchen, das sich an einem Minzblatt im Mojito verschluckt hat. Es war niemand da, der ihr auf den Rücken klopfen konnte.
Ich modifiziere Lennys «Das erste Bier ist zum Genießen, das zweite Bier immer auf ex»-Regel, indem ich Teil 1 weglasse, dafür Teil 2 aber auf die ersten drei Biere anwende. Lenny hat sich inzwischen Mona und Lynn zugewandt, und als ich «Und dann die Szene mit dem Tiger im Badezimmer» höre, weiß ich auch, was er vorhat. «Nimm eine Komödie, die jeder
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