Katerstimmung (German Edition)
kennt, und such dir die witzigste Szene raus. Flirt started!», hatte er mir irgendwann einmal als einen seiner Flirttipps 3000 präsentiert. Ich fand bei Hangover den Tiger im Badezimmer zwar genauso wenig witzig wie den ganzen Film, aber Lennys Mädels brechen in gackerndes Gelächter aus.
Dummerweise ist Wilhelm auch beschäftigt, da er einer Gruppe von Sport-auf-Lehramt-Studenten die Nachteile des dreigliedrigen Schulsystems erklärt. Die Jungs scheinen sich nach einem Unitag, der vermutlich aus zwei Stunden Jo-Jo-Grundkurs und einem Aufbaumodul Tischtennis bestand, wirklich über den theoretischen Input zu freuen.
Ich habe auf Kommunikation gerade irgendwie wenig Lust und versuche, mich möglichst cool gegen eine Wand im Flur zu lehnen. Ist aber nicht wirklich cool, alleine auf einer Party rumzustehen, merke ich und hole ich mir erst einmal ein neues Bier. Auch die nächste Taktik geht schief: Im gedankenverlorenen In-die-Ferne-Schauen muss ich mich Bismarck, Barkeepern und Bahnschalterbeamten klar geschlagen geben. 2,50 Meter Abstand zur nächsten Wand relativiert den Begriff Ferne erheblich. Ich hole mein Handy raus und täusche vor, eine SMS zu schreiben, surfe in Wahrheit aber durch mein Telefonbuch. Als ich bei Z angekommen bin, fürchte ich, dass mein monotones Scroll-Tasten-Gedrücke vielleicht verdeckte Beobachter stutzig gemacht hat. Kurz entschlossen tippe ich daher wahllos Tasten auf meinem Handy und halte dabei meine Umgebung im Auge. Als ich wieder auf das Display schaue, sehe ich noch die Optionen «1 Ausgewählt» und «2 Alle», kann mir aber keinen Reim drauf machen, schaue kurz hoch und drücke irgendwas. Es war wohl die 2. Zumindest piepst das Ding kurz darauf und vermeldet: «Alle Nummern gelöscht.»
«Och nööö! Das ist doch zum Kotzen!», bricht es aus mir heraus, und innerlich küre ich diesen Moment zum absoluten Tiefpunkt eines beschissenen Tages. Die Goldene Himbeere geht an Max Plättgen für die Literaturverfilmung «Als Thomann den türkisfarbenen Urlaub stahl», vor allem für die Szene mit dem Handy im Flur, grgrgrgrgr!
«Alles okay?», höre ich eine Frauenstimme hinter mir und bin mir nicht sicher, ob ich wirklich Lust habe, mich umzudrehen. Aber 180 Grad später pressen bombastische Adrenalinwallungen jeden Zweifel aus meinem Körper. Was da vor mir steht, hab ich so noch nicht gesehen. Dieses Wesen ist von einem handelsüblichen Menschen so weit entfernt wie Nazans Ferrari von einem handelsüblichen Fahrrad. Ach was, von einem handelsüblichen Stöckelschuh. Sie ist … sie hat … alles. Haut, Haare, Augen, Zähne, Brüste. Braun, schwarz, braun, weiß, groß. Selbst wenn die Erbinformationen von Eva Mendes, Heidi Klum und Gisele Bündchen in einen Genpool springen würden, das Ergebnis könnte meinem Gegenüber nicht das Wasser reichen. Oh nein. Ich muss etwas sagen. Wären wir doch in einem Film, dann könnte ich in so einem Moment wenigstens noch mit der Zeitlupe einige Sekunden schinden.
«Ich brauch Telefonnummern.» Oh mein Gott, habe ich das wirklich gesagt? Houston, wir haben ein Problem. Die Außerirdische setzt offensichtlich zum Angriff an und hat mein Sprachzentrum schon vollständig zerstört.
«Du bist ja sehr … äh … man sagt direkt?» Sie hat auch noch einen Akzent. Das wird ja immer wilder. Aber gut, ist auch wenig wahrscheinlich, dass die auf Planet Amor Deutsch sprechen.
«Nee, jetzt nicht deine. Also auch gerne, aber ich … äh … mein Telefonbuch ist gelöscht.»
«Ach so, ich habe schon gesehen, dass du die ganze Zeit sehr nervos geklickt hast in dein Handy», lächelt sie mich an. Sie lächelt mich wirklich an! Sie kann auch noch lächeln. Und sie hat mich beobachtet. Ich befürchte, in Kürze weitere Gehirnareale aufgeben zu müssen.
«Jaja, ich hab versucht, diesen albanischen Virus wegzuprogrammieren.»
«Es gibt Virus in ein Handy?»
«Nee, eigentlich nicht.» Logikzentrum meldet schwere Verluste und bittet um Soforthilfe. «Meistens nur bei Ersatzhandys.» Zu spät, Logikzentrum hisst die weiße Flagge. Ihr verwirrter Blick macht klar, dass auch in ihrer Galaxie ein Mindestmaß an Sinn die Regel ist. Aber sie lächelt schon wieder. Sie lacht schon fast. Ich gebe es auf, mich irgendwie noch halbwegs verständlich aus der Handynummer rauszureden, und lache ein bisschen mit. Dieses Gespräch darf nie enden. Ich brauche irgendein neues Thema. Schnell.
«Und dann die Szene mit dem Tiger im Badezimmer!», prustet es völlig
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