Katerstimmung (German Edition)
Anwesenheit die Kontrolle über sämtliche Hirnfunktionen. Was soll ich tun?»
Lenny überlegt kurz.
«Wär die was für unseren Dreier?»
Ich weiß nicht, wie ich diese Idee jemals wieder aus seinem Kopf bekomme. Man kann ja vieles mit Freunden teilen, aber ich habe nicht und hatte nie vor, das auch mit einer Frau zu tun. Auf Lennys Liste der wichtigsten vor dem Tod noch zu erledigenden Dinge hingegen steht Dreier mit Max an erster Stelle – weit vor Kobe-Rind-Steak essen und Mini-Quadrocopter mit Kamera bauen und durchs FKK-Bad fliegen lassen .
«Nein, Mann, das ist immerhin meine zukünftige Frau!»
«Dann solltest du euren Flirt auf jeden Fall irgendwohin verlegen, wo dir nicht alle zwei Minuten eine deutsche Olympiahoffnung die Tour vermasseln könnte.»
Ich sehe, dass Ana von der Toilette zurückgekommen ist, nehme meine Gin-Flasche und bahne mir sofort den Weg Richtung Flur. Bei diesen hungrigen Sportlern sollte man seine Beute wirklich keine Minute aus den Augen lassen.
Ungefähr in diesem Moment entfaltet der Gin seine volle Wirkung. Jedenfalls speichert mein Gedächtnis Informationen von da an nur noch bruchstückhaft ab.
Ich hätte eine super Idee, wo wir uns ein bisschen in Ruhe unterhalten könnten. Denn hier sei es ja so laut, brülle ich. Sogar die Partygäste am anderen Ende des Flures drehen sich nach dem Schreihals um, was meine Behauptung prompt widerlegt. Ana nickt trotzdem.
Schwarzbild.
Wir sitzen allein in einem Zimmer und lachen. Sie erzählt mir, dass sie keinen Freund hat. Wie selektiv das Gedächtnis doch auswählt, welche Informationen bei Speicherkapazitätsproblemen Vorrang haben. Ich solle sie doch mal in der Bar besuchen, in der sie arbeitet.
Schwarzbild.
Auf einem Nachttisch drehen sich mehrere leere Gin-Flaschen im Kreis. Für die meisten meiner Fehlermeldungen war bis dahin Anas irritierende Schönheit verantwortlich – das plötzliche Herunterfahren des gesamten Betriebssystems hingegen ist allein dem Alkohol zuzuschreiben.
Schwarzbild. Schwarzbild. Schwarzbild.
Ana. Wo ist Ana? Hell. Zu hell. Sonne. Kopf. Wo bin ich? Oh Mann, brennt der Schädel. Ich liege in einem Bett. Wo ist Ana? An der Wand hängt ein Foto von zwei küssenden Menschen mit der Bildunterschrift «Patty und Marc in love». Meine Hände sind hinter meinem Kopf und lassen sich nicht bewegen. Auf dem Nachttisch steht eine leere Flasche Gin. Die kenn ich. Ich bin noch immer im Tabu-Zimmer der Party-WG. Was ist mit meinen Händen? Die sind irgendwie ans Bett gebunden. Aha. Mit einem … was? Das ist doch nicht!? Meine Hände sind mit einem BH an einer Querstrebe des Bettes festgemacht. Wow. Mein Kopf. Was ist hier los? Ana? Ich schaue im Liegen an mir runter und sehe, dass ich kein T-Shirt anhabe. Es liegt mitten im Raum. Dafür klebt auf meinem Oberkörper irgendetwas Schaumähnliches, sofern ich das von hier oben richtig sehe. Ich versuche mich wenigstens ein bisschen aufzurichten. Irgendwie tut alles weh. Da liegt noch was im Bett. Eine Dose Sprühsahne. Das hab ich also auf der Plauze. Ich muss weg.
Es dauert mehrere Minuten, bis ich den Doppelknoten um meine Handgelenke mit den Zähnen gelöst habe. Den BH nehme ich sicherheitshalber als Beweisstück mit. Statt sämtliche Spuren des unerlaubten Zimmerfriedensbruchs zu verwischen, sprühe ich in großen Sahnelettern «Langweiler» auf Patricias Bett. Vor einer WG-Party zu den Eltern fliehen ist ja mal das Allerletzte. Dann putze ich mir mit dem Kopfkissen die Sahnereste vom Oberkörper, binde mir den BH um den Bauch, weil er nicht in meine Hosentasche passt, ziehe mein T-Shirt drüber und wanke zurück ins wahre Leben.
Ich schleiche mich langsam aus der Wohnung, in der Hoffnung, nur bitte niemandem zu begegnen.
«Morgen», raunt es aus der Küche. Pech gehabt. Chris sitzt mit einer Blondine, die Lynn sein könnte, am Tisch und versucht zwischen 30 Bierflaschen zu frühstücken.
«Morgen», sage ich und gehe unbeirrt weiter zur Tür. Noch ist nicht die Zeit, mit den Ermittlungen zu beginnen. Im besten Fall hat er gar nichts mitbekommen.
«Starker Auftritt gestern», ruft er mir nach. Die Vielleicht-Lynn lacht laut auf. Was immer er meint, ich will es vermutlich lieber nicht wissen.
«Jo, ciao.»
Ich trage mich huckepack zur nächsten Haltestelle. In der Bahn wird mir der letzte freie Sitzplatz von einer Frau weggeschnappt, die ich als Lennys Ohrring-Affäre identifiziere. Ich halte mich für wenig vorzeigbar, stelle mich von ihr abgewandt
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