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Katerstimmung (German Edition)

Katerstimmung (German Edition)

Titel: Katerstimmung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Reinartz
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Sendung hatten. Bettina und Uwe aus Dinslaken, jetzt Mallorca, wollten bei den spanischen Behörden ihren Gastronomiebetrieb «Bierbrunnen» anmelden, konnten sich mit der zuständigen Beamtin aber nicht verständigen, da diese merkwürdigerweise kein Deutsch sprach. Als sich die arme Spanierin mit Hilfe eines Wörterbuches ein «Sie müssen zahlen Gebühr de Konzession» abrang, wandte sich Bettina genervt zur Kamera: «Nicht richtig Deutsch können und dann noch Forderungen stellen.» Eigentlich könnte ich diesen Satz auch dem Eindringling vor der Tür entgegenschmettern.
    Lenny ist dabei, sämtliche Partygäste ins Badezimmer zu pferchen. Er signalisiert mir, den Poltergeist vorerst nicht reinzulassen. Ich überlege kurz, wie man ein Gespräch in die Länge ziehen kann, und denke an Zissy van Heekern.
    «Haben Sie Priority Boarding gebucht?» No Time for Losers.
    «Wat? Bisse noch jescheit?», krächzt die heisere Frauenstimme draußen.
    «Haben Sie Sportausrüstung, Musikinstrumente oder Gegenstände für Kleinkinder dabei?»
    «Wat jitt dat dann? Jetz maach dä Dür op, du Tünn!»
    Lenny verstaut noch gerade die Marihuanafreunde auf dem Balkon, wo die jetzt in Ruhe Sternenformationen interpretieren können.
    «Wünschen Sie nach dem Öffnen der Türe eine SMS-Bestätigung?»
    «Leck misch en dä Täsch. Jetz is ävver joot, suns hull isch dä Polizei!»
    Lenny streckt mir einen nach oben gerichteten Daumen entgegen, verschwindet auf dem Balkon, und ich drücke die Türklinke.
    Ich sehe vermutlich ähnlich überrascht aus wie Lenny, als er uns vorhin aufgemacht hat. Dabei steht dieses Mal kein zwanzigköpfiges internationales Verwüstungskommando vor der Tür. Nur eine faltige, blondierte Mittvierzigerin. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich schätzen, dass sie schon zwei Wochen Strand hinter sich hat. Aber ich weiß es besser. Der braune Teint stammt nicht von der spanischen Sonne, sondern eher von der Solarium World Köln Porz . Denn diese Frau ist erst heute hier gelandet. Es ist eine der Schlumpköniginnen, die mir am Flughafen mit ihrem Absturz meinen Sturz beschert haben.
    «Jetz hömma zo. Mer han ene ansträngende Daag jehat un mösse in aller Herrjottsfröh eruss, weil et murje op en Usfloch jeht. Mach op dä Stell dä Musick us, suns rappelt et em Kardung.»
    Anstrengenden Tag! Wenn man sich schon am Gepäckband die Lichter ausschießt, ist klar, dass man den Rest des Tages im Dunkeln tappt.
    «Okay, kein Problem», sage ich und bemerke, wie die Beschwerdebotin an mir vorbei das in dichten Nebelschwaden liegende Schlachtfeld mustert. Das Bett auf Kante, das rot befleckte Leintuch, die Zeichen an der Wand. Bitte stell jetzt keine Fragen.
    «Das … das ist so eine Art Kunstinstallation», sage ich und lehne mich gegen einen Wandschrank, um ihr freie Sicht auf die Exponate zu geben. Konflikte offensiv angehen. Ich hätte es lieber gelassen. Denn im nächsten Moment geht die Schranktür auf, und Stewardess Álvaro kommt mir schreiend entgegengeflogen. Er hat wohl nicht mehr ins Bad gepasst und sich im Schrank versteckt. Rock und Bluse sitzen gut, wenn auch eng, nur die blaue Haube ist etwas verrutscht. Das blondierte Faltenmonster überlegt, glaube ich, kurz, ob das hier wirklich passiert oder halluzinative Spätfolgen des Altenburger Schwarzgebrannten sind, sagt dann aber trocken:
    «Es dä och Kunst?!»
    «Performance … Kunst», stammele ich.
    «Jedde Jäck es anders», sagt sie mit unversöhnlicher Miene und macht sich auf den Rückweg ins Nachbarzimmer. Lennys Sandra ist wohl nicht mehr die Einzige, die mich für eine perverse Tucke mit seltsamen Vorlieben hält.

    Wir tun den ausnüchternden Feierbiestern den Gefallen und beenden unsere Spontanparty. Ein letzter Blick in Raum 312 macht klar: Charlie Sheen wäre stolz auf uns. Wir sind aber doch so anständig, sämtliche leeren Flaschen, Packungen und Plastikbecher mitzunehmen. Um direkt danach jeglichen Anstand vermissen zu lassen und 12 Tetra-Paks Rotwein, 2 Flaschen Wodka, 8 Dosen Bier, 6 Flaschen Cola, das gemischte Sortiment der Minibar und 23 Plastikbecher vor Zimmer 311 abzulegen. Der Schlumpkönig hat zurückgeschossen.

    Dann ziehen wir von einer Bar zur nächsten, und jedes Mal durchforste ich den Laden bis in die hinterste Ecke. An einem Samstagabend wird man doch wohl nicht zu Hause bleiben. Gerade wenn man nach langer Zeit wieder in der Heimat ist. Oft sehe ich fröhliche Gruppen, in deren Mitte ich mir eine strahlende

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