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Katerstimmung (German Edition)

Katerstimmung (German Edition)

Titel: Katerstimmung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Reinartz
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High-Heel-Marathon um die Wette trippeln. Wenn es UK: Cheese heißt, rollt im englischen Brockworth wieder ein Käse einen Berg hinunter, und alle stürzen hinterher. Und dann gibt es jeden August noch unter dem Titel Spain: Tomatoes die Bilder aus Buñol, wo Zehntausende Menschen sich gegenseitig mit überreifen Tomaten bewerfen. Normalerweise gehen einem Redakteur in diesem Moment zwei Dinge durch den Kopf: «Schon wieder ein Jahr rum» und «Gott sei Dank muss ich da nie hin».
    Wilhelm hat die buddhistische Überwindung des leidhaften Daseins offenbar schon so sehr verinnerlicht, dass er zunächst darauf beharrt, auf dem Steinfußboden weiterzuschlafen. Auch Lenny hält von Aufstehen gerade so viel wie von einem zweiten Date. Stimmt, deren Adrenalinspiegel haben ja noch gemäßigte Pegelstände. Während ich nach Tsunami Ana und Sturmtief Klaus komplett überflutet bin von dem Zeug.
    Ich schalte den Fernseher an und finde schnell, was ich suche: ein Fußballspiel. Das spanische Mediengesetz sieht offensichtlich vor, dass zu jeder Tageszeit mindestens zwei Fernsehsender über Fußball zu berichten haben. Ich greife meinem Kommentator mit Lautstärke 9 von 10 ein bisschen unter die Arme, dann aber schafft er es problemlos, die Jungs aus ihren Träumen von Siddharta beziehungsweise Sandra und Sarah zu reißen.
    «Aufstehen, wir fahren jetzt zu einer Tomatenschlacht.»
    Wilhelm schaut wie Lenny, als der der Partyhorde die Hotelzimmertür aufgemacht hat. Lenny schaut wie Lenny, als er mich oberkörperfrei auf seinem Sofa entdeckt hat. Na gut, dann versuche ich jetzt eben, zu schauen wie Lenny, als er uns den Bananas-Plan verkündet hat. Ich glaube, ich habe den Look-alike-Wettbewerb gewonnen. Zumindest ernte ich die gleiche ablehnende Reaktion wie Lenny gestern Abend.
    In einer Sitcom würden an dieser Stelle beide gleichzeitig «Auf gar keinen Fall!» sagen, und einen Schnitt später säßen wir zu dritt im Bus nach Buñol. Wer auch immer dieses bescheuerte Stilmittel erfunden hat: Es ist realitätsferner als die immer halbvollen, nie bezahlten Getränke in Bars und die unzähligen Charaktere, die lautlos Türen öffnen und dadurch unvermittelt und überraschend in Räumen erscheinen können.
    «Alter, nein!», interveniert Lenny, und im nächsten Moment bestätigt Wilhelm: «Nä.» Weder gleich noch gleichzeitig. Folglich kann ich mir auch keine Hoffnungen auf den direkten Schnitt zur Busszene machen. Stattdessen folgt eine lange Diskussion über den Nachrichtenwert der Tomatina, über Jobangst und darüber, wie leicht bekleidet Frauen während einer Tomatenschlacht sind. Nach intensiven Überlegungen zur letzten Frage habe ich Lenny auf meiner Seite, und der überstimmte Wilhelm erträgt die Entscheidung mit Gelassenheit, mit innerer Ruhe, mit begnügter Seele. Für irgendwas muss Hesse ja gut sein.

    Mein Argument «Man kann ja im Bus noch eine Stunde pennen» erweist sich als Fehleinschätzung. Man könnte genauso gut versuchen, in einer Disco, auf einem Kindergeburtstag oder in der Sprecherkabine eines spanischen Fußballkommentators zu schlafen. Buddha Wilhelms Geist ist inzwischen schon so vollkommen, dass er sich der harten Prüfung stellt, Lenny tippt nervös auf seinem Smartphone, und ich beobachte Spanier. Der Großteil der johlenden Stadtjugend hat ausgeleierte dreckige T-Shirts an, was vermutlich ein adäquateres Outfit für eine Tomatenschlacht ist als ein feines Hemd mit Olivennote. Zumindest von der Farbe «Weiß» kann sich Lenny langfristig verabschieden. Wilhelm ist als Einziger von uns passend gekleidet, der ist aber auch 365 Tage im Jahr tomatinakompatibel angezogen. Wenn man auf den Text der Schlachtrufe achtet, fällt die überdurchschnittliche Häufigkeit von «tomate» und «eoeoeo» auf. Genau genommen setzen sich die meisten der im entferntesten Sinne als Lieder zu bezeichnenden Gesänge nur aus diesen Bestandteilen zusammen. Lenny streckt mir grinsend sein Handy entgegen.
    «Alter! Lies mal, das schick ich den Mädels. Hatte heute Morgen 27 Anrufe in Abwesenheit.»
    Ah, hat sich das Hotelzimmer also doch nicht von alleine aufgeräumt! Aber Jacques-Yves Cousteau hält immer eine Ausrede bereit. Er erzählt dem Mile High Club von einem plötzlichen Fieberschub infolge der Fischallergie. Dass weder das kühlende Bad noch die Getränke in der Minibar seine Körpertemperatur senken konnten. Dass er auf der Suche nach Schmerzmitteln dann sogar an die Schränke gegangen ist und unter den Betten

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