Katerstimmung (German Edition)
30 Quadratmeter in so kurzer Zeit in eine filmreife Feierkulisse zu verwandeln.
Zwei kräftige Polen schaffen sofort mit einem auf Kante gestellten Bett einen abgetrennten Dancefloor, die Italiener gruppieren in der Zwischenzeit Bett zwei und drei zu einer L-förmigen Sitzecke. Die Minibar ist bis auf zwei Flaschen San Pellegrino geplündert, bevor die Letzten im Zimmer angekommen sind. Zur Kühlung der vielen mitgebrachten Getränke dient fortan die eilig gefüllte Badewanne. Lennys Regel «Smoking only on the balcon, please» gilt genau 14 Sekunden, dann gibt er den Dreifrontenkrieg gegen Frankreich, Polen und Tanja auf. Er konzentriert sich stattdessen darauf zu verhindern, dass ein Franzose mit Nerdbrille Alexandras Gucci-Etui als Aschenbecher benutzt. Der nimmt als Kompromiss wenigstens die Sonnenbrille raus. Die Spanier haben sich bereits um den Schreibtisch postiert und pokern. Ein offener Koffer und der Flugkapitän auf der Königskarte lassen vermuten, dass das Spiel aus dem Crew Entertainment Set stammt, das Tanja eben schon auf der Suche nach Zigarettenfiltern durchwühlt hat. Wie ich Ryanair kenne, war das für die Stewardessen vermutlich umsonst, zuzüglich Steuern und Gebühren.
Ich höre, dass heftig gegen die Badezimmertür geschlagen wird, sehen kann man wenig. Spätestens seit eine Gruppe Südamerikaner um Marta angefangen hat, einen Joint nach dem anderen zu rauchen, verringern dichte Rauchschwaden die Sichtweite auf wenige Meter. Mauro erzählt mir, dass sich irgendwer im Bad verbarrikadiert habe und man daher momentan nicht an die Getränkereserven komme. Ob es denn okay sei, in den Schränken und/oder Koffern nach Alkoholhaltigem zu suchen. Ich freue mich, dass man mir dieses Weisungsrecht zugesteht, und bejahe im Gegenzug. Die Aufnahme neuer Flüssigkeiten ist jedoch nur die Hälfte des Problems. Dass es auch um die Abgabe alter Flüssigkeiten geht, wird mir klar, als ich vermehrt angespannte Jungs aus Richtung des Bades zum Balkon laufen sehe. Die Wassertemperatur des Hotelpools im Innenhof beginnt allmählich zu steigen.
Lenny bittet die Disco-Polen, die Musik einen Tick leiser zu drehen, erblickt dann aber einen wesentlich akuteren Krisenherd. Die Kifferkombo ist dabei, mit Edding Kreise und Kreuze auf die Tapete zu malen. Sieben Drei-gewinnt-Spielfelder sind schon gefüllt. Plötzlich geht die Toilettentür doch auf, und der picklige Flirt-Spanier kommt grinsend mit der stark angetrunkenen Französin raus. Sein Gesichtsausdruck sagt: «Im Badezimmer bin ich ein Tiger», ihrer eher: «Hangover.» Als ich mich umdrehe, steht Álvaro in einem Stewardessen-Outfit vor mir. «Sorry, I have to do. Ich habe verliert en el Poker.» Marta und ihre Freunde sind inzwischen dazu übergegangen, abwechselnd Rotwein auf das Bettlaken zu kippen und die Flecken gemeinsam zu interpretieren. Halte ich erst für die mit Abstand bekiffteste Idee überhaupt, aber Bleigießen ist gar nicht so weit davon entfernt. Was hat man denen allen hier in den Calimocho gemischt?
Die Italiener um Mauro grölen nun seit mehreren Minuten ihr Ohhh-oh-oh-oh-oh-ohhhhh-oh auf die ersten Gitarrenriffs von Seven Nation Army von den White Stripes. Eine zusammengefaltete Vogue dient einem Glatzkopf als Megaphon, in das er in regelmäßigen Abständen Namen von italienischen Fußballnationalspielern brüllt. Das können die Spanier nicht auf sich sitzen lassen und kontern mit ihrer Nationalhymne, was aber innerhalb der spanischen Gruppe zu einer lautstarken Unterredung führt, in der auch Wilhelm aktiv wird. Er erklärt mir, dass das Lied eigentlich als Franco-Hymne verschrien ist und nicht gesungen werden sollte. Am Ende einigt man sich auf We are the champions , wo auch die Italiener mitsingen können, die Brasilianer sowieso, und irgendwann stimmen auch Lenny, Wilhelm und ich mit ein.
Und dann auf einmal poltert es wieder gegen eine Tür. Doch dieses Mal ist es nicht die Badezimmertür.
«Mach du das, Max, mich kennt der Portier wegen dem Fisch!», bittet Lenny und versucht mit lautem Pst-Zischen den Lärmpegel zu senken.
«Hallo! Hallo!», dröhnt es von draußen. Moment: Hallo, nicht Hola! Das sind doch nicht etwa …
«Machens dä Dür op!»
Doch. Eine Deutsche! Und auch noch eine Kölnerin! Wie selbstverständlich wir im Ausland doch immer wieder versuchen, unsere Wünsche und Verbesserungsvorschläge in unserer eigenen Sprache zu äußern. Ich erinnere mich an einen Beitrag über Auswanderer, den wir neulich in der
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