Katerstimmung (German Edition)
Ana bestens vorstellen könnte. Aber sie ist nie dabei. Jetzt komm schon. Wenn du heute nicht ausgehst, kannst du bald vielleicht gar nicht mehr ausgehen mit deinem Babybauch! Je später es wird, desto intensiver bemühe ich mich. Irgendwann fange ich an, willkürlich Menschen anzusprechen. Ob sie eine Ana kennen. Ich muss feststellen, dass der Name in Spanien unwesentlich seltener vorkommt als in Deutschland. Aber keine von denen hat gerade in Köln studiert, was meine wachsenden Hoffnungen immer schnell wieder niedermäht. In den wenigen Bars mit Eintritt gehe ich gegen Abgabe meines Personalausweises auf zweiminütige Blitzsuche. Als ein Türsteher mein Pfand nicht akzeptiert, zahle ich sogar die fälligen acht Euro. Am Ende brülle ich ihren Namen durch die engen Gassen der Altstadt in den wieder hellen Morgenhimmel Valencias. Oppositionspolitiker würden mir blinden Aktionismus vorwerfen.
Gegen sieben Uhr sind wir wieder in Tanjas WG. Lenny, Wilhelm und ich schnicken um das Sofa, Lenny gewinnt. Was ist mit Pech in der Liebe, Glück im Spiel? Hast du Scheiße am Fuß, hast du Scheiße am Fuß! Ich lege mich neben Wilhelm und mehrere Oliven in Kräuteröl auf den Wohnzimmerfußboden und schlafe ein. Hoffentlich träume ich nicht von Andi Brehme.
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The Red Adventure
Am nächsten Morgen beziehungsweise zwei Stunden später werde ich vom SMS-Ton meines Handys geweckt. Einen besonders tiefen Schlaf scheint man auf einem kalten Steinfußboden nicht zu haben. Da war es ja sogar vor dem Gepäckband gemütlicher. Die Nachricht ist von einer unbekannten Nummer, was nach dem Telefonbuch-Harakiri nur bedeutet, dass sie nicht von Lenny oder Wilhelm ist. Wenig überraschend. Als ich sie lese, fällt mir dann aber fast das Handy aus der Hand:
«Hi, Max, ich bin in Barcelona. Komm mich doch besuchen! W84U, Ana.»
Schon wieder attackiert die Außerirdische meinen Körper. Dieses Mal zwar per Langstreckenrakete, aber mein Abwehrsystem zeigt sich wenig funktionstüchtig. Die Pumpe rast mit höchster Taktzahl, der Puls schießt auf 220, es fließt viel Blut. Ana! Plötzlich bin ich so wach wie ein Falschparker, den US-Militärs beim Waterboarden aus Versehen mit Red Bull foltern. Wieso ist die in Barcelona? Was mache ich jetzt? Und warum hat Wilhelm seine Ohrhörer an? Es läuft Hesse. Gut, was Besseres kann man zum Einschlafen natürlich nicht hören. Ganz leise verstehe ich den Satz: «Hatte er je irgendeinen Menschen so geliebt, so blind, so leidend, so erfolglos, und doch so glücklich?» Buddha kennt das Problem also auch.
Jack Bauer nicht. Der hätte sich aus Scham schon vor vier Stunden selbst zu Tode gequält, weil er die Mission «Postkoitale Empfängnisverhütung» nicht in 24 Stunden erfolgreich beenden konnte. Meine innere Digitaluhr zeigt 29:32:58, aber ich stehe kurz vor dem Ziel. Ich muss ihr schnell antworten. Sehr gerne hätte ich endlich die Sicherheit, nicht in zwei Jahren zum Vaterschaftstest in eine Mittags-Talkshow geladen zu werden. Oder sind die in Spanien noch bei Schattenwand und Lügendetektor?
Meine SMS klingt auch nach dem fünften Versuch noch bescheuert, was wohl an der Thematik liegt. «Hatten wir zufälligerweise ungeschützten Geschlechtsverkehr?» geht genauso wenig wie «Samma, du nimmst aber schon die Pille, nä?». Irgendwann habe ich was halbwegs Akzeptables zusammengebastelt. Ich hänge ein «Bin in Valencia, wo in Barcelona bist du denn?» dran und schicke sie ab.
Da! Ich habe noch einen Anruf in Abwesenheit. Wahrscheinlich hat die erst angerufen, und als ich nicht ran bin, die Nachricht geschickt. Verdammt! Über so was redet man wohl wirklich besser persönlich. Da mein Akku nicht mehr lange durchhält und ich kein Aufladegerät dabeihabe, gehe ich zum dunkelgrünen Drehscheibentelefon auf dem Couchtisch und wähle langsam die Handynummer. Was sage ich jetzt? Hallo? Alles klar bei dir? Wie geht’s? Wo bist du? Wenn du deinen BH zurückwillst, musst du am 1. 9. zur nächsten Fundsachen-Versteigerung am Flughafen Weeze? Es tutet. Was sie wohl gerade macht. Liegt sie in Unterwäsche in ihrem Bett und nascht Sahne? Geh nicht ran. Geh ran. Geh nicht ran. Geh ran.
«Thomann.»
«Ana?» Moment. Hat da gerade jemand Thomann gesagt? Uh! Ich glaube, ich muss die Visualisierung meines Telefonpartners überarbeiten: Ana trägt Hemd und Jeans und liegt nicht im Bett, sondern sitzt in der Redaktion. Und statt Sahne gibt es Dieter-Torte. Ich
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