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Katerstimmung (German Edition)

Katerstimmung (German Edition)

Titel: Katerstimmung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Reinartz
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zum falschen Flughafen gefahren? Wer meinte, ich soll prophylaktisch nach Valencia fliegen? Alles, was ich versuche, ist, diese verdammte Frau wiederzufinden! Und es tut mir sehr leid, dass ich nebenbei auch gerne noch meinen Job behalten würde!»
    «Ja, aber musst du uns dafür von einer Katastrophe in die nächste jagen?», fragt Wilhelm fast schon versöhnlich. Gleich hab ich euch.
    «Gut, fliegen wir heute heim. Dann sitze ich ab morgen alleine zu Hause und zähle meine Füße. Wenn ich nicht arbeitslos werden möchte, habe ich keine Wahl.»
    Lenny beugt sich über die Requisiten, schnappt sich die schickere der Sonnenbrillen und meint: «Aber wenn, dann nehm ich die!»

    Im Bus nach Lloret de Mar schreibe ich Ana. Dass es mir leidtut mit gestern. Dass ich wohl zu spät kam. Und ich schlage ihr vor, das Treffen im Luna Mar heute zu wiederholen. Ich hoffe, sie fasst das nicht als Majestätsbeleidigung auf. Den Papst frage ich ja auch nicht, ob ich noch mal eben eine Audienz bekommen könnte. Ich hätte beim letzten Mal Wichtigeres zu tun gehabt.
    Viele können den aus dem Boden gestampften Betonstädtchen an der Costa Brava nicht viel abgewinnen. Alle anderen müssen nicht mehr alle Latten am Zaun haben. Da hat Deutschland einig Ökoland es schon fast geschafft, Käfighaltung von Legehennen komplett zu verbieten. Aber unser Nachwuchs strömt mit Begeisterung in schäbige Bruchbuden, die schon von außen aussehen, als seien sie die Minutensteaks der Architektur. Wieso kettet sich hier niemand an die Stalltür? Wann kommen heimlich gefilmte Nachtaufnahmen der unmöglichen Zustände da drinnen bei Akte – Reporter decken auf ? Und nicht mehr nur heimlich gefilmte Nacktaufnahmen der unmöglichen Zustände da drinnen bei Youporn. Oder umgekehrt: Vielleicht stöhnt manches Küken auf dem Biobauernhof genervt: «Mama! Ich hab keinen Bock auf Spazierengehen. Ich will wieder in die Großraumdisco!» Man sollte die jungen Hühner erst mal alle zum Psychologen schicken. Die aus dem Stall genauso wie die aus dem «El Paraíso».
    Wir snacken als Erstes im feinsten Lokal des Ortes ein McChicken-Menü. Dazu bekommt jeder noch einen in Plastik verpackten Bleistift mit der Aufschrift «One World, One Nature» geschenkt, mit dem die Fastfoodkette ihr Engagement demonstrieren möchte. Ich überlege mir, wie viele Bäume wohl für diese Kampagne draufgingen und ob man sie noch sinnvoll ergänzen könnte, wenn man am Times Square die Leuchtschrift «Don’t waste Energy!» installiert.
    Dann suchen wir eine geeignete Location für unseren Dreh. Oswalds Frage «Welche Produktionsmittel können Sie ausgliedern, um Kosten einzusparen?» hat mich auf die Idee mit der Überwachungskamera gebracht. Erstens sparen wir uns so den Kameramann, und zweitens bedeutet geringere Bildqualität höhere Attraktivität für Privatsender. Anders kann ich mir nicht erklären, wieso es die «Irre Verfolgungsjagd in den USA» noch immer in jedes Mittagsjournal schafft.
    Der Anblick des zentral gelegenen Hotelkomplexes El Quinto Pino lädt seine Gäste zum Träumen ein. Zum Träumen von einer schöneren Unterkunft. Für uns ist der beigefarbene Klotz hingegen optimal: Er hat eine Tiefgarage mit Überwachungskamera.
    «In welcher Sprache reden wir denn mit denen?», will Lenny wissen, während er sich den falschen Bart zurechtrückt.
    «Einfach ein bisschen brüchiges Englisch. Und hier und da mal was Spanisches einwerfen.»
    «Was denn?»
    «Irgendwas, das nach Drogenschmuggel aus Lateinamerika klingt. Escobar, Droga Droga, Tijuana, so was.»
    «Kann ich mir nicht merken.»
    «Mensch, Lenny!» Ich wühle in meiner Hosentasche und finde den Zettel mit den Brasilianernamen. Mit meinem Umweltbleistift schreibe ich ihm ein paar zusammenhanglose Wörter auf die Rückseite.
    «Und was sollen wir denen inhaltlich sagen?», fragt Wilhelm.
    «Dass sie für euch was mit nach Deutschland nehmen sollen. Und dass sie niemandem davon erzählen dürfen, weil sie sonst sterben werden.»
    «Max!»
    «Oder: weil ihr sonst sehr böse werdet.»
    «Ich bedrohe doch keine Kinder.»
    «Meinetwegen kannst du auch sagen: Wenn ihr das nicht macht, na ja, ich wäre nicht sauer, sondern nur ein kleines bisschen enttäuscht. Aber normalerweise waren solche Drogendealer früher nicht in der Streitschlichter-AG!»

    Lenny und Wilhelm sehen inzwischen nicht mehr wirklich vertrauenerweckend aus. Eingehüllt in dicke Bärte, die Augen hinter dunklen Gläsern versteckt und die großen

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