Katerstimmung (German Edition)
ihren Köpfen.
«Ja, kein Plan, Mann. Auf jeden Fall so voll andere Sprache und überhaupt nisch Respekt.»
«Und die wollten, dass ihr Drogen schmuggelt für die?»
«Isch weiß nisch, hab das irgendwie so vercheckt, was die eigentlisch wollten. Aber die haben was mit Marihuana gesagt.»
Mein Gott, wie verballert kann man denn sein?
«Ja, die wollten euch als Drogenkuriere! Nach Deutschland! Und euch dann das Zeug wieder abnehmen! Und dann haben sie euch gedroht!»
Normale Menschen würden bei so viel Insiderwissen des Interviewers bestimmt Verdacht schöpfen. Die Bande hier ist aber dran gewöhnt, dass ihnen die Welt vom Privatfernsehen erklärt wird. Eltern und Lehrer haben ihre Erziehungsfunktion anscheinend schon vor vielen Jahren outgesourct.
«Ja, voll läppsch!»
«Und haben die nicht auch was von Lateinamerika erzählt?»
Ich habe wenig Hoffnung.
«Ja stimmt, irgendwas mit Teneriffa.»
Tijuana, du Vollpfosten! Erdkunde Fensterplatz? Ich glaube nicht, dass ich hier noch verwertbare Aussagen bekomme, lasse mir die Namen der Nachwuchspoldis geben und gehe zurück ins Quinto Pino.
Das große Foyer des Hotels sieht aus wie das im Waldorf Astoria. Circa zwei Monate vor Fertigstellung. Es ist leer, kahl und unfertig. Die schlecht verputzten Wände erinnern daran, dass man sich mit dem Erdgeschoss nicht so viel Zeit lassen konnte. Man musste ja vor Sonntag noch die anderen fünf Stockwerke draufsetzen. Hier könnte sogar Tine Wittler mit bübchenblauer Deckenfarbe und aus alten Marmeladengläsern gebastelten Lampions nicht wirklich schaden. Obwohl. Doch.
Lenny hat sich am Pool in die Sonne gelegt, Wilhelm sitzt am Hotelcomputer und beantwortet E-Mails. Ich wüsste gerne, was «Videoband der Überwachungskamera» auf Spanisch heißt, aber Wilhelm ist über das Wort auch in einem ganzen Jahr Ecuador nicht gestolpert. Bevor ich es nachschauen darf, will er noch schnell sein Postfach leerräumen. Alle seine Mails kommen von der Uni und handeln größtenteils von ausgefallenen Sprechstunden und geänderten Bibliotheksöffnungszeiten. Am schönsten finde ich jedoch den Aufruf eines Dozenten, der sich über das geringe Interesse an seinem letzten Workshop «Südindisches Kino der neunziger Jahre» beschwert. «Dabei ging es um Mani Ratnams (Guru, Dil Se, Bombay) kontrovers diskutierten Iruvar mit Mohanlal, Prakash Raj, Tabu und Aishwarya Rai. Superstar M. G. Ramachandran (kurz MGR) und DMK-Ideologe M. Karunanidhi bringen in hybrider Tamil-Ästhetik die grundlegende ideologische Problematik in seiner Arbeit/Ansatz auf den Punkt!» Ich zweifele, ob Universitäten weiterhin mit öffentlichen Geldern finanziert werden sollten.
«La cinta de vídeo de la cámara de vigilancia», murmele ich vor mir her, als ich kurz darauf zur Rezeption gehe. Eine junge Spanierin holt direkt den Hotelmanager. Ein stämmiger Mann mit Goldkettchen kommt aus einem Büro geschlurft und lehnt sich an den Tresen.
«We are international journalists, investigating an international, serious crime. And we need the cinta de vídeo de la cámara de vigilancia!», sage ich in pathetischem Tonfall.
«Bin der Bär. Können ruhig Deutsch reden.»
«Mhm.»
«Der Bär» zählt zu diesen Menschen, die du nicht mal nach der Uhrzeit fragen kannst, ohne dass sie dir ihre Lebensgeschichte erzählen. Er war früher «im Bereich Sanitärkeramik» in Heidelberg tätig, fand das aber «irgendwann scheiße» und fuhr für einen Sommer an die Mittelmeerküste. Dort lernte er ein spanisches Mädchen so gut kennen, dass sie schwanger wurde und er endgültig übersiedelte. Bei der Namensgebung des Nachwuchses kam es zum ersten großen Streit: Sie wollte auf jeden Fall was Biblisches, er «Rocky». Drei Monate später war das Paar getrennt. Mit ein paar spanischen Freunden zog er «die Kiste hier» hoch, noch bevor die ganzen Touristenströme kamen. Seither managt er das Hotel, die Treffen des Stammtischs «Teutonia Concordia» im Deutschen Eck und einige lose sexuelle Beziehungen.
«Ich habe alles richtig gemacht.»
«Definitiv. Um noch mal auf das Band der Kamera zurückzukommen …»
Der Goldkettchenbär versichert mir, dass er damit nichts zu tun hat. Dass er sich noch nie etwas zuschulden hat kommen lassen. Und das mit der marokkanischen Putzfrau, das habe sie gewollt. Ich erkläre ihm, dass ich nur sein Bestes will und dieses Band brauche, um für Ruhe und Ordnung im beschaulichen Lloret zu sorgen. Ruhe und Ordnung findet der Bär, glaube ich,
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