Katerstimmung (German Edition)
ziemlich gut. Er holt mir das Band, wünscht viel Glück bei der Aufklärung und bittet noch um ein Autogramm von einer mir unbekannten Moderatorin meines Senders.
«Klar, mache ich», lüge ich.
«Und dann frag die auch mal, ob die sich noch an mich erinnert. Ich habe der mal am Flughafen in Frankfurt ‹Hallo› zugerufen, und sie hat mich dann angeschaut.»
«Mit Sicherheit. Das sind diese ganz besonderen Momente, die man nicht so schnell vergisst!»
«Echt? Ich habe da auch schon so was gemerkt in ihrem Blick.»
«Hattest du so eine Hose an und ein Hemd?»
«Ja, kann sein. Wieso?»
«Von dem Typen spricht sie ständig.»
Ich schnappe mir das Band und verschwinde. Wenn es den Kernforschern in Genf endlich gelingt, in ihrem riesigen Teilchenbeschleuniger Antimaterie herzustellen: Die sollten unbedingt ein bisschen von dem alles auffressenden Zeug hier rüberschießen. Per Laserkanone an die Costa Brava. Als Strafe für Käfighaltung, Putzfrauenbelästigung und den Partynator. Darüber wären vermutlich viele «abgefuckt», aber das wäre mir persönlich «scheißegal (besoffen)».
Ich rufe bei den News an und bitte Klaus als Erstes, die Bürotür zuzumachen. Er lacht nicht, er drückt nicht auf die Lautsprechertaste – er schließt seine Tür. Verkehrte Welt. Ich gebe jetzt die Anweisungen, und er führt aus. Hol den Wagen doch selber, Derrick!
Brisantes Material von einer Überwachungskamera gefällt Klaus außerordentlich. Ich wusste doch, dass man mit schlechter Bildqualität immer punkten kann. Er ist heute so gar nicht kratzig. Wir dürfen sogar auf Senderkosten mit einem Taxi in die nächstgrößere Stadt fahren, um das Band von einer Lokalredaktion des Partnersenders Telecinco aus nach Köln zu überspielen.
«Ich habe hier eine hochprioritäre Überspielung für dich», raune ich verheißungsvoll in die Sprechanlage Richtung Deutzer Schnarchstudent. Sekunden später steht die Leitung.
«Und leg das bitte nicht offen auf den Server. Das ist geheimes Material. Exklusiv für Klaus Thomann», ergänze ich weltmännisch.
«Und unter welchem Namen?»
«Plättgen. Max Plättgen.»
«Der Volontär von den News ?» Zufrieden grinse ich in mich hinein. Ich bin wieder wer. Oder eigentlich zum ersten Mal. Man kennt mich. Sogar so ein verkiffter Student, der von seinen 450 Facebook-Freunden keine dreißig namentlich aufzählen könnte.
«Genau der. Hat sich schon rumgesprochen, dass von dem in den nächsten Tagen noch einiges zu hören sein wird?»
Ein knarziges Lachen schabt sich aus den basslosen Lautsprechern.
«Nee, aber Sabine hat so eine Rundmail rumgeschickt, wo du mit Tomaten …»
«Du, tut mir leid, aber wir müssen das Gespräch jetzt sofort beenden. Ich glaube, die Leitung wird von ausländischen Geheimdiensten abgehört.»
«Okay, kein Prob…»
«Pssst!»
[zur Inhaltsübersicht]
Zonk
Wir sitzen schon über eine Stunde im Bus, und meine Hochstimmung möchte nicht abebben. Euphorietechnisch bin ich bei Pegelständen angekommen, die vormals nur Dresden und Achtziger-Jahre-Hosen erreichten: Jahrhunderthochwasser. Es gibt aber auch wenig Besseres als das Gefühl, jemanden nach Strich und Faden verarscht zu haben. Und das mit einer absurden Geschichte. Wer schon einmal erfolgreich bei seiner Versicherung reklamiert oder nach einer plötzlichen Schwangerschaft mit dem Heiligen Geist argumentiert hat, kennt das. «Gerne ersetzen wir Ihnen die Digitalkamera, die ‹ohne Fremdeinwirkung› deutlich sichtbare Beulen am Gehäuse und einen leichten Wodkageruch bekommen hat.» Na klar fühlt man sich dann als Gewinner.
Und doch habe ich ein Problem. Ich feiere meine Erfolge nicht in der Disziplin, in der ich eigentlich angetreten bin. Ich bin nach Spanien geflogen, um Ana in Rekordzeit für mich zu gewinnen. Aber das Ziel ist weiter weg als Weeze von Düsseldorf. Stattdessen triumphiere ich mit dem Erfinden von Nachrichten. Ist für den Moment ganz nett, allerdings nicht besonders zukunftsträchtig und war eher als Mittel zum Zweck gedacht. Ich fühle mich wie ein Schwimmer, der sich auf dem Weg zum Becken kurz abduscht – und zack wird Abduschen olympisch, und alle jubeln ihm zu! Vor lauter Duscherei kommt der arme Kerl dann nur immer zu spät ins Wasser. Und seine Teamkollegen zwingt er jedes Mal mitzumachen. Synchronduschen. Dabei sind die selbst zum Schwimmen nur ihm zuliebe mitgekommen.
«Max, das Video kommt aber nur bei deinen komischen News ?» Wilhelm will auf Nummer sicher
Weitere Kostenlose Bücher