Kates Geheimnis
überlassen. Jill merkte, dass sie nass war bis auf die Knochen. Ihre Zähne 456
begannen zu klappern. Alex richtete sich auf. »Ach, du grüne Neune«, sagte er leise.
Jill konnte nicht anders, dieser Kommentar war so absurd, dass sie in ein ziemlich hysterisch klingendes Lachen ausbrach.
Er lächelte nicht, und sein Blick glitt wie tastend langsam über ihr Gesicht. »Tja, so viel zu deiner Theorie, dass Kate Gallagher davongelaufen ist, um den Rest ihrer Tage glücklich mit irgendeinem Mann zu leben.«
Zitternd nickte Jill.
Plötzlich nahm Alex seinen Mantel ab, ein schweres Ding aus herrlich abgetragenem Leder mit Wollfutter, und legte ihn über ihren nassen Anorak. »Du holst dir noch eine Lungenentzündung«, sagte er. Er legte den Arm um sie, als glaubte er nicht, dass sie es allein zurück zum Haus schaffen könnte. So stapften sie gemeinsam über das Feld Richtung Stainesmore.
»Sie ist gestorben«, sagte Jill zähneklappernd, während ihre Hüften sich streiften und aneinander stießen. »Und jemand kannte das genaue Datum ihres Todes. Jemand wusste es und hat sie begraben, Alex.
Er hat sie hier begraben, in der Nähe von Stainesmore. Wir müssen herausfinden, was passiert ist und wer das war!«
Er antwortete nicht. Aber er zog sie noch näher an sich, als Jill schrecklich zu zittern begann. Kate, Hal, 457
Marisa, Alex ... das Chaos, die Dramatik um all das war überwältigend.
»Ich hab dir noch nicht von meinem Traum erzählt«, sagte Jill heiser und blickte hoch zu seinem makellosen Profil. »Es war der reinste Horror, Kate war irgendwo eingesperrt, vielleicht in diesem Turm, und sie war ganz voll Dreck, bis unter die Fingernägel, und da war so viel Blut. Ich habe sie gesehen , Alex.«
Er fuhr zusammen; Jill spürte es. »Das war nur ein Traum.« Seine
Stimme klang schneidend. »Ich mach mir Sorgen um dich. Wir müssen wirklich mal eine Pause einlegen.«
»Morgen Abend fahren wir nach London zurück.
Wir können doch nicht einfach aufhören, noch nicht.
Wir müssen in Stainesmore nach mehr Beweisen suchen, nach mehr Spuren, und vielleicht auch noch mal in dem Häuschen. Glaubst du, dass es vielleicht in der Kirche noch Unterlagen gibt? Sie halten doch sicher fest, wer auf ihrem Friedhof begraben wird?«
Er betrachtete sie nachdenklich, während sie durch den matschigen Park gingen. »Was versprichst du dir davon?«, fragte er schließlich leise.
Jill riss sich abrupt von ihm los und starrte ihn ungläubig an. »Was soll denn die Frage! Sie war meine Urgroßmutter, und jemand hat sie umgebracht!«
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»Wir wissen nicht sicher, dass sie deine Urgroßmutter war, und wir wissen nicht sicher, ob sie ermordet wurde oder nicht.« Seine Augen blitzten.
»Stellst du dich auf einmal gegen mich?« Jill begann wieder heftig zu zittern. Sie wollte jetzt nicht an ihren Verdacht gegen Alex denken. Das war mehr, als sie ertragen konnte.
Er sah sie an. »Ich würde mich nie gegen dich stellen«, sagte er schließlich. Fluchend fuhr er sich durch die Haare. »Was willst du eigentlich, Jill? Wie soll das hier ausgehen?«
»Ich will die Wahrheit herausfinden. Ich will wissen, was mit Kate passiert ist und warum. Und ich will wissen, was aus ihrem Kind geworden ist, Peter -
der vielleicht mein eigener Großvater war. Er ist nicht gestorben. Was ist mit ihm passiert?« Jill holte tief Luft. »Wenn deine Familie darin verwickelt ist, kann ich das nicht ändern. Dann gibt es eben eine Woche oder so eine Schlammschlacht in der
Boulevardpresse. Damit werden sie schon fertig.« Sie war verbittert.
»Meine Tante und mein Onkel haben gerade ihren Sohn verloren«, sagte Alex barsch. »Sie brauchen keine weiteren unschönen Geschichten. Nicht jetzt.«
Sie starrte ihn an. »Also befürchtest du, dass die Wahrheit etwas mit der Familie zu tun hat - und dass sie unschön ist?«, drängte Jill.
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Er zögerte. »Was soll ich mir denn sonst denken?
Sie sind alt, sie haben gerade Hal verloren. Tante Margaret hat Probleme mit dem Herzen. Mein Onkel ist in den letzten vier Wochen um zwanzig Jahre gealtert.« Er wurde laut. » Ich will nicht, dass man ihnen wehtut .«
Jill war verblüfft. Sie hatte Alex noch nie so erregt gesehen. Oder so entschlossen und unnachgiebig. Da traf sie die Erkenntnis wie ein Schlag, dass er in diesem Punkt niemals nachgeben würde, dass seine Loyalität zu den Sheldons ewig währen würde.
»Jill«, sagte er mit sanfterer Stimme und neuer Beherrschung, »was auch immer mit Kate
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