Kates Geheimnis
bezweifle, dass man sie am helllichten Tag begraben hat. Ich hab nicht erwartet, hier was zu finden, Jill. Die Polizei hat den Fall nie abschließen können. Natürlich wurde sie heimlich beerdigt. Die Frage ist nur, warum? Jemand ist ein ziemliches Risiko eingegangen, nur um sie hier zu begraben.«
»Ja«, gab Jill zurück und ballte die Fäuste.
»Zweifellos hat ihr Mörder sie begraben - was bedeuten würde, dass er noch gewisse Gefühle für sie hatte.«
Alex sah sie an. »Also, was schließt du daraus?«
Jill biss sich auf die Lippe. »Sieh mal, Edward hat mit Kate herumgespielt, aber Anne geheiratet. Ich kann mir vorstellen, dass Kate ihm ziemlich zu schaffen gemacht hat. Ich meine, ich glaube nicht, dass sie ihm viel Glück gewünscht und sich dann 485
höflichst verzogen hätte, damit er ihre beste Freundin heiraten konnte.«
»Jill, immer mit der Ruhe. Was, wenn sie im Kindbett gestorben ist? Vielleicht ist sie wieder schwanger geworden. Auch so einen Skandal hätte man vertuschen wollen. Du bist wirklich zu voreilig.«
Er hatte Recht. Warum reagierte sie so übertrieben?
Jill trat zurück. »Ich weiß auch nicht, warum mir das so unter die Haut geht. Es kommt mir fast so vor, als würde Kate mich beobachten und von mir erwarten, dass ich ihren Tod aufkläre.« Sie sah ihn an, aber er erwiderte nichts. »Ich glaube, deine Familie weiß sehr viel mehr, als sie zugibt.«
Er riss die Augen auf. Dann hatte er sich wieder völlig in der Gewalt, und seine Miene war so nichts sagend wie vorher. »Ach wirklich?«
»Ja. In den meisten Familien gehen irgendwelche Geschichten herum, die von Generation zu Generation weitergereicht werden. Aber niemand scheint auch nur zu wissen, dass es Kate überhaupt gegeben hat. Das glaub ich einfach nicht«, sagte Jill.
»Sieh mal, wenn Edward der Vater von Kates Sohn Peter war - Peter war nur zwölf Jahre älter als William.«
Es schaute sie nur an. »Ja und?«
»Wie hätte William nichts von einem unehelichen älteren Bruder wissen können?«
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Alex schwieg. »Vielleicht gab es keinen unehelichen Bruder«, meinte er dann.
»Vielleicht«, sagte Jill und glaubte ihm keinen Moment lang.
»Mein Onkel ist ein aufrichtiger Mensch. Er ist doch kein Lügner.«
»Aber ich bin eine Außenstehende und noch dazu für Hals Tod verantwortlich. Ich bin sicher, dass er es nicht gern sähe, wenn finstere Familiengeheimnisse vor mir ausgebreitet werden.« Jills Gedanken überschlugen sich, und plötzlich fiel ihr etwas ein, worauf sie schon viel früher hätte kommen müssen.
»Lass uns zurückfahren. Haben diese alten Landgüter nicht auch Geschäftsbücher, die lange zurückreichen?
Wir sollten uns Edwards Unterschrift besorgen. Am Montag bringe ich sie als Allererstes zu einem Experten und lasse sie mit der von Barclay vergleichen. Wenn sie übereinstimmen, Alex, dann ist das der Beweis dafür, dass Edward Kates Liebhaber und der Vater ihres unehelichen Kindes war.«
»Also gut«, sagte Alex schließlich.
Vorsichtig riss Alex eine Seite aus einem riesigen Buch, das noch viel größer war als das Register der Kirche. Er faltete es zusammen und reichte es ihr.
»Ich will bloß hoffen, dass keiner merkt, was du da gemacht hast«, sagte Jill und schaute über die Schulter zur offenen Tür. Sie waren in dem Raum, 487
den Alex als Arbeitszimmer bezeichnete. Er war kleiner als die Bibliothek, dunkel und nüchtern mit seiner Holztäfelung, und hatte nur ein Fenster, von dem aus man die felsigen Klippen und das Meer sehen konnte. Er hatte offensichtlich früher als eine Art Büro gedient. Jill meinte allerdings, dass das schon mindestens zwanzig oder dreißig Jahre her sein musste. Es war zu düster hier, zu stickig, die Luft roch abgestanden und muffig.
»Ich glaube nicht, dass jemand hier reinkommt, höchstens mal eines der Mädchen zum Putzen«, sagte Alex und stellte den Band wieder zwischen die vielen anderen auf einem Regal. Die Unterlagen des Hauses reichten bis 1495 zurück. Jill fand das sehr erstaunlich.
Sie war bester Laune. »Bist du bereit für die Dachboden-Tour?«
Sein Kopf fuhr herum. »Du willst auf die Dachböden? Heute?« Die Sonne schien immer noch so hell und freundlich, dass man sich fast in Florida wähnen konnte. »Du hast die Robin Hood Bay noch gar nicht gesehen. Wir könnten im Pub zu Mittag essen.«
»Wie wär’s, wenn wir das Essen verschieben?«, fragte Jill lächelnd. »Alex, jeder stellt seinen alten Kram einfach auf den Dachboden. Wir
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