Kates Geheimnis
spazierte er ins Wohnzimmer.
Jill brachte ihre Gesichtszüge unter Kontrolle und ging um die Ecke ins Wohnzimmer, ihm entgegen.
Ihr Lächeln fühlte sich an wie eine Gipsmaske.
»Was ist denn jetzt schon wieder? Du schaust mich an, als wär ich ein Serienmörder.« Sein Lächeln erlosch. »Du glaubst doch nicht etwa, dass ich etwas mit der Sache zu tun hatte?«
Jill schüttelte heftig den Kopf. »Nein, tu ich nicht.
Ich bin nur runtergekommen, um Gute Nacht zu sagen. Ich bin sehr müde. Danke, dass du gekommen bist.« Sie zögerte. »Mir geht’s schon besser. Du musst nicht hier bleiben.«
Er sah sie forschend an. »Doch, ich bleibe. Ich will nicht, dass du hier ganz allein bist.« Jetzt zögerte er.
»Wie wär’s mit einem Drink?«
Endlich wagte sie, den Blick zu seinen leuchtend blauen Augen zu heben. Sie wollte nicht mehr, dass er hier blieb - aber andererseits graute ihr davor - nein, sie hatte panische Angst davor , allein zu sein. Jill schüttelte den Kopf, biss sich auf die Lippe, und ihr traten Tränen in die Augen. »Nein, danke.«
Rasch kam er herüber und nahm sie in die Arme.
»Es wird alles gut, Jill. Vertrau mir. Bitte.«
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Sie sah ihm in die funkelnden Augen, und ihr Körper sperrte sich
steif gegen seine Umarmung. »Das will ich ja«, flüsterte sie. »Das will ich wirklich.« Und das war die Wahrheit.
»Ich verstehe.« Sein Lächeln wirkte gezwungen.
Jill war wieder zum Weinen zumute. »Gute Nacht«, brachte sie hervor. Und sah ihm nach, als er wieder in die Küche ging, zweifellos, um sich einen Drink zu machen.
Jill drehte sich um und ging hinauf.
Am nächsten Morgen fand sie Alex über sein Notebook gebeugt. Es war kurz nach sieben, und der Duft von frisch gebrühtem Kaffee erfüllte die Küche, und ebenso der helle Morgensonnenschein. Es sah nach einem schönen Tag aus.
Jill betrachtete seinen Rücken. Er war so vertieft in das, was er da tat, dass er sie nicht hereinkommen hörte. Er drückte ein paar Tasten. »Guten Morgen«, sagte Jill schließlich.
Er fuhr herum. »Hast du mich erschreckt.« Sein Lächeln verschwand, während er ihr Gesicht forschend betrachtete. »Gut geschlafen?«
»Albträume.« Jill ging zur Kaffeemaschine und goß sich einen Becher ein. Ihre Träume waren schrecklich gewesen, in allen hatte ein gesichtsloser Mann mit einer blutigen Axt sie und Lady E. gejagt. Sie wollte 556
nicht darüber sprechen - sie wollte nicht darüber nachdenken. Sie war fertig. »Ist ja richtig praktisch, dich im Haus zu haben. Ein Ritter ohne Furcht und Tadel, der auch noch frischen Kaffee macht.« Sie prostete ihm mit dem Becher zu.
»Einige von uns Junggesellen können sogar Spiegeleier machen«, erwiderte Alex mit einem schwachen Lächeln. Aber sein Blick blieb forschend, und Jill wandte sich ab, damit er ihr Gesicht nicht sah.
»Ich hab ein Meeting um neun, also muss ich gleich los. Wie fühlst du dich?«
»Okay.« Das war gelogen. Sie fühlte sich schrecklich, und sie kam nicht darüber hinweg, wie viel Mühe sich jemand gegeben hatte, um sie fortzujagen. Jill zögerte. »Also, wer hat die Katze getötet? Thomas? Lauren? Dein Onkel?«
»Du kommst recht schnell zu Sache.« Er schaltete den Computer ab und klappte den kleinen, silbergrauen Deckel zu. Als er sie ansah, wirkte sein Gesicht abgespannt.
Jill fragte sich, was er auf dem Bildschirm gehabt hatte - was es war, was er sie nicht sehen lassen wollte.
Er schlüpfte in seine Anzugjacke. »Es ist schön, wieder ein bisschen Farbe auf deinen Wangen zu sehen, Jill.« Seine Worte standen in krassem Kontrast zu seinem Tonfall, der sich etwas unterkühlt anhörte.
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Sie starrte ihn an. Das hier wäre so viel einfacher, dachte sie, wenn sie nicht mit ihm geschlafen hätte oder wenn er nicht die Nacht auf ihrem Sofa verbracht und ihr damit ein bisschen Trost und Schutz geboten hätte. »Ich will darüber reden.«
Er stellte seine Aktentasche auf den Tisch.
»Offensichtlich.«
Jill lehnte sich mit der Hüfte an die Küchenzeile und verschränkte schützend die Arme vor der Brust.
»Alex. Du bist ein kluger Kerl. Diese Spielchen sind albern. Was gestern Abend passiert ist, war kein grober Spaß. Das hier ist ein sehr ruhiges Viertel.
Hier passiert so etwas nicht.«
Er schwieg.
»Ich fahre den Sheldons ziemlich an den Karren, oder?«
»Niemand in meiner Familie ist zu solcher Brutalität fähig«, sagte er, das Gesicht vor Anspannung ganz starr. »Und ich glaube nicht, dass du Recht hast. Ich glaube,
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