Kates Geheimnis
er da? Ist er da?«, rief Kate, raffte ihre Röcke und sauste durch ihr Schlafzimmer. Sie lehnte sich zum Fenster hinaus, soweit ihr riesiger Bauch das erlaubte, um hinunter auf den Hof und die Auffahrt blicken zu können.
»Madam«, sagte die Haushälterin hinter ihr. »Bitte.
Sie dürfen sich nicht so anstrengen, wo das Kind doch in zwei Wochen kommt.« Kate ignorierte sie, denn sie erkannte die Kutsche, die in die Auffahrt von Coke’s Way einbog. »Es ist Edward!«, rief sie aufgeregt. Sie drehte sich um und rannte an der ewig säuerlichen Miss Bennett vorbei zur Tür hinaus.
Er hatte ihr versprochen, dass nichts ihn davon abhalten konnte, zur Geburt ihres Kindes bei ihr zu sein. Aber sein Vater war während seines Aufenthalts in Südfrankreich krank geworden und hatte Edward zu sich gerufen - schon vor über zwei Monaten. Kate hatte sich nicht anmerken lassen, wie verzagt sie darüber war. Sie hatte ihm zu der Reise geraten. Sie verstand Edwards Pflichtgefühl gegenüber seinem 562
Vater. Bis sie in sein Leben getreten war, hatte er felsenfest an Pflicht und Ehre geglaubt. Nun war er wie zerrissen.
Der Earl näherte sich seinem siebzigsten Geburtstag. Edward hatte seinem Ruf nicht folgen, Kate nicht eine Minute in diesem Zustand allein lassen wollen - geschweige denn mehrere Monate.
Aber Kate fürchtete, der Earl könnte sterben. Das wäre zwar die Lösung all ihrer Probleme - denn dann könnten sie auf der Stelle heiraten. Aber Kate hatte sich Edwards Schuldgefühle ausgemalt, wenn er dem Wunsch seines Vaters nicht nachkam, ihn bei sich zu haben. Und wenn er dann starb, würde Edward sich das nie verzeihen können. Sie eilte hinab und war schnell außer Atem, denn das Kind, das sie trug, verlangte ihrem Körper viel ab. Sie hörte, wie die Kutschentür zufiel, als sie die Tür des Landhäuschens öffnete, in dem sie sechs schrecklich lange, furchtbar einsame Monate verbracht hatte.
Kate war vorher noch nie einsam gewesen. Und da hatte die Angst begonnen - die Angst, die jede Mutter bekommt, wenn es auf die Geburt zugeht. Einmal war sie lange nach Mitternacht aufgestanden, hatte eine Feder zur Hand genommen und ihr Testament gemacht für den schrecklichen Fall, dass sie und ihr Kind die bevorstehende schwere Prüfung nicht überlebten.
Edward kam den gepflasterten Weg herauf. Er sah sie und blieb stehen. Seine Augen schienen in einem 563
silbrigen Licht zu erstrahlen. »Edward«, flüsterte sie und klammerte sich an die Tür, denn ihre Knie wollten nachgeben, und ihr Herz schlug beunruhigend schnell.
»Oh Gott, Kate!« Edward rannte auf sie zu, und dann fand sie sich in seinen Armen wieder und ihre Lippen verschmolzen und nichts war ihr jemals so richtig erschienen.
Er löste seine Lippen von ihren. »Wie du mir gefehlt hast - wie wunderschön du bist!« Und er küsste ihre Wange, ihre Stirn, ihre Nasenspitze und forderte dann wieder ihren Mund für sich. Diesmal beendete Kate den Kuss. »Ich habe nicht mehr geglaubt, dass du noch rechtzeitig zurückkommst!«
Seine Augen verdunkelten sich, während er ihre Hände an seine Brust drückte. »Nichts hätte mich davon abhalten können - nicht einmal die schäbigen Tricks eines gemeinen alten Mannes.«
Kate erstarrte. Früher, bevor sie in seinem Leben eine Rolle gespielt hatte, hatte er seinen Vater respektiert und sogar gemocht. Jetzt nicht mehr.
»Liebling?«
Er rang sich ein Lächeln ab. »Entschuldige. Komm.
Lass uns hineingehen, es gibt so viel zu erzählen, und wir waren so lange Zeit getrennt.«
Sie gingen ins Haus. Miss Bennett stand in der Tür und nickte Edward zu. »Mylord«, sagte sie und trat 564
vor, um ihm Hut und Handschuhe abzunehmen.
»Hatten Sie eine angenehme Reise?«
»Ja, sehr angenehm, danke, Miss Bennett.« Er lächelte knapp, und während er mit ihr sprach, suchten seine warmen Augen bereits wieder Kates Gesicht. Dann starrte er auf ihren dicken Bauch.
»Bitte lassen Sie uns einen Moment allein.« Er lächelte Kate an. Er konnte die Augen nicht von ihr lassen, dachte sie, nicht einen Moment lang. Wie wohl ihr das tat.
Sie fühlte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg.
Miss Bennett verschwand, und Edward zog sie ins Wohnzimmer - und in seine Arme. Sie versanken in einem endlosen Kuss.
Schließlich ließ sich Edward in einem großen Sessel nieder. Kate brachte ihm ein Glas Brandy.
»Was für schäbige Tricks hast du gemeint?«, fragte sie furchtsam.
Edward nahm einen Schluck. »Mein Vater hat gelogen. Er war gar
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