Kates Geheimnis
nicht krank. Er hat nur nach mir geschickt, um uns zu trennen. Ich habe ihm von dem Kind erzählt, Kate - und nicht einmal das konnte ihn erweichen. Er verweigert weiterhin seine Erlaubnis zu unserer Heirat.«
Kate nickte und setzte sich auf das Sofa, die Hände im Schoß gefaltet. Das überraschte sie nicht. Vor sechs Monaten hatte der Earl alle ihre Hoffnungen zunichte gemacht und Edward die Heirat mit ihr nicht gestattet. Sie war sogar selbst zu ihm gegangen - und 565
auf so viel Verachtung und Erniedrigung gestoßen, dass dieser Besuch eines der niederschmetterndsten Ereignisse ihres Lebens wurde.
Edward erhob sich, war mit zwei Schritten bei ihr, fiel auf die Knie und ergriff ihre Hände. Er lehnte sich vor, die Wange an ihrem Bauch, und schloss die Augen. Dann blickte er zu ihr auf. »Es kümmert mich nicht länger, ob er mich verstößt und enteignet. Soll mein Bruder die verdammte Grafschaft erben! Ich habe dich. Ich habe mich entschieden. Wir heiraten auf der Stelle, und damit ist die Sache erledigt.« Er lächelte sie an.
Kate starrte ungläubig auf ihn herab. Sie zitterte.
»Oh Edward«, begann sie. Ihre Liebe für ihn war grenzenlos. Sie wusste, welche Qualen ihn diese Entscheidung gekostet hatte.
»Es wird uns an nichts mangeln, Kate. Dem Herrgott sei Dank für dein Vermögen.« Er lächelte, aber das Lächeln war bitter. »Vielleicht sollten wir uns sogar ganz in Amerika niederlassen?«
»Edward«, sagte Kate mit zittriger Stimme und Tränen in den Augen. »Erinnerst du dich daran, wie du mir das erste Mal Uxbridge Hall von oben bis unten gezeigt hast?« Sie lächelte durch Tränen.
»Warum weinst du?«, fragte er entsetzt. »Ich werde dich heiraten, Kate.«
Sie schmeckte salzige Tränen. »Mein Liebling. Du hast mir von deinem Familiensitz und seiner 566
Geschichte erzählt. Du hast mir von der Grafschaft erzählt - die eines Tages in deinen Händen liegen würde. Du warst stolz wie ein Pfau. Du hast mir Geschichten von dienen Brüdern erzählt, von all dem Unsinn, den ihr als Kinder angestellt habt. Du hast auch voll Zuneigung von deinem Vater gesprochen, Liebling - von seinen Bemühungen im House of Lords um die Gesetze zur Kinderarbeit. Und dann hast du mir von einigen Besitztümern und Unternehmungen der Familie erzählt - die Minen in Cornwall beispielsweise und die neuen Schächte, die du bauen ließest. Die verbesserte Belüftung, hast du gesagt, würde jedes Jahr Dutzende von Leben retten!
Du warst so begeistert von diesen Schächten! Und dann hast du von der Verantwortung gesprochen, die du deinen Leuten gegenüber hast. Du hast sie >deine Leute< genannt, Edward, als wärst du ein Prinz und dies dein Königreich. Mit leuchtenden Augen hast du mir von den Möglichkeiten dieses neuen Jahrhunderts erzählt - und dass die Zeit gekommen sei, sich der Grafschaft anzunehmen und sie zu modernisieren. Ich war bereits verliebt in dich, aber an jenem Tag wurde mir klar, wie du zu deinem Erbe, deiner Verantwortung, dienen Pflichten stehst, und von da an liebte ich dich unwiderruflich. Ich war so stolz auf dich.«
Er kniete immer noch zu ihren Füßen. Seine Augen waren fast schwarz. »Was du da sagst, gefällt mir gar nicht.«
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»Dein Bruder Henry ist ein Schuft«, rief Kate verzweifelt.
»Dann wird die Grafschaft bleiben, wie sie ist - und Henry kann damit machen, was er will.«
»Er wird jeden Penny verspielen, den er in die Finger bekommen kann!«
Edward zuckte mit den Schultern, als sei ihm das einerlei. Kate wusste, dass das nicht stimmte.
»Ich kann dich nicht heiraten, Edward.« Sie starrten einander an, und ihr liefen Tränen über die Wangen.
Er war entsetzt.
»Bitte versteh doch«, flüsterte Kate. »Ich kann dir nicht dein Leben wegnehmen.«
»Du bist mein Leben. Ich werde dich nicht aufgeben.« Edward klang unbezähmbar.
»Ich habe nicht verlangt, dass du mich aufgibst, denn auch ich kann dich nicht aufgeben.« Sie fuhr mit den Fingern durch sein dichtes, dunkles Haar. »Wenn wir heirateten, würdest du mich eines Tages für das hassen, was ich dir weggenommen habe. Dein Geburtsrecht.«
»Nein.« Sein Mund war verzerrt vor Grimm.
Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Und was ist mit mir? Ich könnte nicht mit dem Wissen leben, dir all das genommen zu haben.«
»Oh Gott.«Edward setzte sich neben sie und nahm sie in die Arme.
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»Nur du, Kate, würdest mich so zurückweisen, nur du bringst den Mut und die Liebe dazu auf.«
»Ja. Ich tue es, weil
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