Kates Geheimnis
wurden. Es rannten auch einige Kinder umher, und ein stämmiger Junge tat sich besonders darin hervor, drei kleine Mädchen herumzuscheuchen. In etwa einer Stunde würde man sich ins Haus zurückziehen, ein frühes Dinner zu sich nehmen und den restlichen Abend mit Tanzen verbringen.
»Ich danke dir, dass du mich eingeladen hast«, sagte Kate leise. Sie war immer noch besorgt und niedergeschlagen. Obwohl sie Edward jeden Tag sah und er so leidenschaftlich und zärtlich war wie immer, war sie sich des bösen Klatsches nur allzu bewusst. Jedes Mal, wenn sie spazieren oder einkaufen ging, traf sie auf Damen, die sie kannte.
Alle sprachen von der bevorstehenden Verlobung, und die Tatsache, dass Edward sich dagegen sträubte, diese vollkommene Frau zu heiraten - denn Anne war eine hervorragende Partie , musste darauf hindeuten, dass er in seine augenblickliche Geliebte tatsächlich verliebt war - wer immer sie auch sein mochte. Kate ging nicht mehr aus. Es war zu schmerzvoll geworden. Sie konnte nachts keinen Schlaf finden, 646
und sie hatte ihren herzhaften Appetit verloren. Sie fürchtete das Schlimmste - sie wusste nicht, was sie tun sollte.
Und sie hatte begonnen, den Earl of Collinsworth zu hassen.
»Kate! Warum bist du denn so trübsinnig? So habe ich dich ja noch nie erlebt. Und jedes Mal, wenn ich dich eingeladen habe, mit mir spazieren zu fahren oder Tee zu trinken, hast du abgelehnt.« Anne war stehen geblieben und betrachtete sie aufmerksam.
»Gehst du mir aus dem Weg? Das muss ich allmählich annehmen.«
Kate rang sich ein Lächeln ab. »Ich würde dir doch nie aus dem Weg gehen, Liebes.« Aber genau das hatte sie getan. Sie hatte ihre beste Freundin noch weniger sehen wollen als sonst irgendjemanden.
Kate fürchtete, dass sie einen Blick auf die schlimme Zukunft erhascht hatte - auf Anne als Edwards Frau. Wer war sie denn schon, dass sie meinte, man könnte dem Earl of Collinsworth ungehorsam sein? Er war einer der reichsten und mächtigsten Männer Englands. Nur eine sehr törichte Frau würde glauben, sich gegen ihn auflehnen und damit durchkommen zu können.
»Miss Gallagher! Ich habe schon gehört, dass Sie wieder da sind, wie schön, Sie wiederzusehen!«, rief eine begeisterte junge Männerstimme.
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Kate drehte sich um und sah einen schneidigen jungen Mann mit rotem Haar, der sich vor ihr verbeugte. »Lord Weston. Ich freue mich auch, Sie wiederzusehen.« Sie brachte ein Lächeln zustande.
Er strahlte sie an - und dann entdeckte er Anne. Er verbeugte sich auch vor ihr, wandte seine volle Aufmerksamkeit aber sofort wieder Kate zu. »Wie ist es Ihnen in diesem Jahr ergangen?«, fragte er begierig.
Kate wollte gerade antworten, da bemerkte sie Annes herablassende Haltung gegenüber Weston. Sie fuhr zusammen. Es war nicht nur ihr
Gesichtsausdruck, sondern die ganze Art, wie sie sich neuerdings gab - als meinte sie, weit über allen anderen zu stehen. Das war nicht die Anne, die sie so gut kannte und so gern hatte.
Weston sprach mit ihr. »Werden Sie heute Abend mit mir tanzen? Ihnen ist doch wohl klar, dass Sie mir mit Ihrer Rückkehr nach New York das Herz gebrochen haben.«
»Ich bin sicher, Sie übertreiben, Sir.« Jetzt war Kates Lächeln schon echter.
»Ich übertreibe keineswegs. Darf ich Ihnen demnächst meine Aufwartung machen?«, fragte er grinsend.
Kate erstarrte. Sie bemerkte, dass Anne sie mit einem steifen, merkwürdigen kleinen Lächeln beobachtete, aber das war es nicht, was sie so 648
überrascht hatte. Edward stand hinter der Menge und starrte sie an.
»Ich fürchte, ich habe mich in letzter Zeit nicht recht wohl gefühlt«, sagte Kate leise, und ihr Herz schlug schneller, wie immer, wenn er auf der Bildfläche erschien. »Vielleicht ein andermal?«
Sein Lächeln erlosch. »Ich werde nicht aufgeben, ganz bestimmt nicht«, verkündete er. Er verbeugte sich vor ihnen und ging. Kate schaute ihm nicht nach.
Ihre Augen hatten sofort Edwards wiedergefunden, und sie sahen sich an.
Er schenkte ihr den Hauch eines Lächelns.
Kates Herz setzte einen Schlag aus. Da war etwas in seinen Augen, das wusste sie, eine Botschaft nur für sie allein, obwohl sie sie aus dieser Entfernung nicht lesen konnte. Sie erwiderte sein Lächeln. Und in diesem Augenblick lösten sich ihre Ängste und Sorgen in Nichts auf. Sie liebte ihn so sehr, und sie konnte nur daran denken, welch ein Glück sie hatte, eine Liebe wie die ihre gefunden zu haben, selbst wenn sie für immer nur seine Geliebte
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