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Kates Geheimnis

Kates Geheimnis

Titel: Kates Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
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Seine Gefühle ihr gegenüber hatten sich seit dem vergangenen Abend offenbar nicht gewandelt.
    Jill starrte an ihm vorbei. Alex und William führten Seite an Seite die Familie an. Alex hatte William fest am Ellbogen gepackt, als fürchte er, sein Onkel würde 97

    zusammenbrechen. Der alte Herr wirkte ausgelaugt und sehr erschöpft. Die Tränensäcke unter seinen Augen stachen heute noch mehr hervor als gestern bei Jills Ankunft. Sie zweifelte nicht daran, dass er die ganze Nacht geweint hatte.
    Alex und William nahmen ihre Plätze in der ersten Reihe ein. Thomas musste Margaret buchstäblich aufrecht halten, als er sie neben ihrem Mann platzierte und sich dann selbst setzte. Er blickte nicht zu Jill auf, die allein in die zweite Reihe schlüpfte, hinter die Familie und neben Fremde, die sich ihr zuwandten, um sie anzustarren.
    Jill verschränkte die Hände so fest ineinander, dass es wehtat. Dann traf sie Thomas’ Blick, als er sich nach ihr umdrehte. Er lächelte nicht; sie blieb reglos.
    Er setzte sich zurecht und schaute wieder nach vorn.
    Wenn der Gottesdienst nur schon vorüber wäre. Jill schloss die Augen. Dies war mit Abstand der entsetzlichste Moment seit Hals Tod. Die Zeit schien stillzustehen. Und zu allem Überfluss ging Jill ihre Unterhaltung mit KC in der letzten Nacht nicht aus dem Kopf. Und sie hörte hinter sich jemanden weinen
    - unterdrückt, aber gequält von Trauer.
    Jill sah sich um. Direkt auf der anderen Seite des Mittelganges schluchzte eine zierliche Frau in ein Taschentuch. Ihr Gesicht war hinter ihrem schulterlangen, kastanienbraunen Haar verborgen. Ein älterer Mann hatte den Arm um sie gelegt. Er war alt genug, um ihr Vater zu sein.
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    Jill starrte gebannt zu ihr hin. Die Frau war jung, und ihr maßgeschneidertes schwarzes Kostüm saß wie angegossen an ihrem Luxuskörper. Jill kannte sie.
    Aber das ergab keinen Sinn, denn Jill war sich ziemlich sicher, dass sie sich nie begegnet waren.
    Plötzlich wurde ihr bewusst, dass viele Leute in der Menge sie anstarrten. Sie schaute sich nervös um, aber die Männer und Frauen wandten rasch den Blick ab, wenn sie in ihre Richtung sah. Es gab keinen Zweifel daran, dass ihre Gegenwart bei der Trauergemeinde eine merkwürdige, aber heftige Reaktion hervorrief.
    Oh Gott. Zu spät wurde Jill klar, dass alle wissen mussten, dass sie gefahren war, dass der Unfall ihre Schuld war, dass sie Hal getötet hatte. Das war der Grund, weshalb alle sie anstarrten. Es gab keine andere Erklärung dafür.
    Jill hatte sich noch nie elender gefühlt. Sie wurde von Schuldgefühlen überwältigt. Sie schienen ihr den Atem zu nehmen.
    Ihr kam in den Sinn, dass sie einfach aufstehen und aus der Kirche laufen könnte, weg von all diesen Leuten und ihren vorwurfsvollen Blicken - weglaufen und niemals wiederkommen.
    Aber sie liebte Hal. Sie musste sich von ihm verabschieden.
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    Und als der Priester auf der Kanzel erschien, hörte Jill hinter sich Leute flüstern. Jemand sagte: »Ist sie das?«
    Jill erstarrte.
    Eine andere Stimme antwortete: »Ja, das ist sie. Die amerikanische Freundin, die Tänzerin.«
    Jills Schultern verkrampften sich. Sie rührte sich nicht. Sie betete, der Gottesdienst möge endlich beginnen. Doch die erste Stimme fuhr viel zu laut fort: »Aber was ist mit Marisa?«
    Marisa? Wer war Marisa? Jill wandte sich um und sah eine ältere Frau in einem schwarzen Chanel-Kostüm. Sie trug einen entzückenden schwarzen Hut und war überreichlich mit sehr großen, sehr echten Diamanten behängt.
    Die ältere Dame lächelte automatisch und drehte den Kopf so, dass sie über den Mittelgang schaute.
    Jill erwiderte das Lächeln nicht. Ängstlich folgte sie ihrem Blick.
    Und der fiel auf die zierliche Frau in dem engen schwarzen Kostüm. Die hatte aufgehört zu weinen und blickte starr geradeaus. Sie war eine der reizendsten, weiblichsten Frauen, die Jill je gesehen hatte, mit ihrem makellosen Porzellanteint und dem dunkelroten Haar. Und nun erkannte Jill, wer das war.
    Sie war die Frau auf dem Foto in Hals Schlafzimmer, das ihn mit ihr auf einer Skipiste zeigte.
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    Jills Herzschlag schien für einen Moment auszusetzen. Sie bekam keine Luft.
    Der Pastor begann zu sprechen, und seine Worte drangen durch den Schock zu Jill. »Meine lieben, lieben Freunde«, hob er mit tiefer, volltönender Stimme an, »wir sind heute unter tragischen Umständen hier zusammengekommen, um den kürzlich verstorbenen Harold William Sheldon zur letzten Ruhe zu betten.«
    Wer

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