Kates Geheimnis
dem zweiten Klingeln abgenommen wurde. »KC, hier ist Jill. Ich bin in London«, sagte sie.
»Jill! Ich mache mir solche Sorgen um dich. Wie geht’s dir?«, rief KC.
Jill lag in ihrem Bett mit den riesigen Pfosten auf dem Rücken und
drückte sich den Hörer ans Ohr. Sie konnte KC
deutlich vor sich sehen. Sie war groß und gertenschlank, sehr attraktiv und hatte ein Herz aus Gold. »Mir geht’s gut«, begann sie. Dann: »Oh Gott.
Mir geht’s nicht gut. Mir geht’s ganz und gar nicht gut.«
»Ich weiß«, sagte KC mitfühlend. »Jill, alles kommt wieder in Ordnung - ich weiß es einfach, es braucht nur Zeit.«
Jill antwortete nicht. Schmerz durchfuhr sie. Aber sie wusste, dass KC meinte, was sie sagte. So fest 87
entschlossen KC auch war, als Schauspielerin zu arbeiten, noch viel leidenschaftlicher verfolgte sie ihre spirituellen Interessen. Sie stürzte sich auf alles Esoterische, von Handlesen bis Hinduismus. Sie hatten sich vor drei Jahren bei einer Premierenparty in SoHo kennen gelernt. KC war nicht als Gast dort gewesen, man hatte sie engagiert, um den Leuten aus der Hand zu lesen und Tarotkarten zu legen. Eine Bekannte hatte Jill dazu überredet, sich die Karten legen zu lassen. Extrem misstrauisch und ein wenig betrunken hatte Jill sich schließlich zu ihr gesetzt.
Zu Jills Erstaunen hatte KC nur einen einzigen Blick auf die Karten geworfen, die vor ihr auf dem Tisch ausgebreitet waren, und gesagt: »Du bist so furchtbar einsam.«
Damit hatte sie schlagartig Jills ganze Aufmerksamkeit gewonnen. »Du hast deine Familie verloren, als du noch sehr jung warst, oder?«, war sie fortgefahren. Jill hatte sie nur angestarrt und sich gefragt, wer ihr das gesagt haben konnte. »Und du bist nie ganz darüber hinweggekommen. Aber das wirst du noch.« KC hatte Jill beruhigend angelächelt.
Dann wurde ihr Gesicht plötzlich ernst. »Allerdings nicht allzu bald.«
Jill konnte sich an den Rest der Legung nicht erinnern, nur daran, dass er genauso zutreffend gewesen war. KC hatte erwähnt, dass neben ihrem ein Apartment frei war, als sie erfuhr, dass Jill eine Wohnung suchte. Innerhalb einer Woche war Jill 88
eingezogen, und sie waren schnell Freundinnen geworden.
»Warum versuchst du nicht, morgen zum Arzt zu gehen?«, fragte KC nun mit aufrichtiger Besorgnis.
»Du weißt, dass ich nicht viel von Tabletten halte, aber in diesem Fall finde ich, hättest du die nicht wegwerfen dürfen, die der Arzt dir verschrieben hat, Jill.«
Vermutlich hatte Jill KC davon erzählt, dass sie die Antidepressiva weggeworfen hatte, aber sie konnte sich nicht daran erinnern. »Ich weiß nicht. Vielleicht mach ich das. Ich bin so müde. Ich habe vergessen, ob ich jemanden gebeten habe, auf Ezekial aufzupassen.« »Oh, das hast du. Du hast mich darum gebeten, und ich habe ihn in meine Wohnung rübergeholt. Er läuft mir ständig zwischen den Füßen herum. Du fehlst ihm.«
Jill lächelte schwach. »Und wie kommt er mit Chiron klar?« Chiron war KCs drahtiger kleiner Köter. Der Terriermischling war nach einem Asteroiden benannt.
»Er macht den armen Chiron fertig«, erwiderte KC
lachend.
Jill sah die Szene genau vor sich und musste selbst lachen. Es war seit Tagen das erste Mal, dass sie lachte, und es fühlte sich herrlich an. Aber dann dachte sie an Hal und eine Frau namens Kate Gallagher, an Alex Preston und die Sheldons, und ihr Lachen wich der Bitterkeit.
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KC fragte: »Was ist passiert?«
Jill seufzte. Auch KC war sehr scharfsinnig -
vielleicht sogar telepathisch veranlagt. Ihre Intuition war manchmal direkt unheimlich. Jill sagte sich immer, das sei alles nur Zufall, aber tief in ihrem Inneren wusste sie, dass KC außergewöhnliche, übersinnliche Fähigkeiten besaß. »Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber Hals Familie ist nicht besonders freundlich. Natürlich stehen sie alle unter Schock.« Sie sagte ihr nicht, dass alle sie für Hals Tod verantwortlich machten, das war ein Thema, das sie einfach nicht ansprechen konnte. »Niemand glaubt mir, dass das mit Hal und mir was Ernstes war. Ich glaube, sie sehen in mir so eine Art kleines Abenteuer. Weil ich ja nur eine arme, stinknormale Tänzerin bin.«
»Das ist ja vielleicht blöd«, sagte KC heftig. »Hals Familie ist also nicht so nett, wie er scheinbar war?«
Jill hatte an ihre Unterhaltung mit Alex gedacht.
Aber KCs Wortwahl ließ sie aufhorchen. »Warum sagst du das?«
»Was?«
»Du hast gesagt, so nett, wie Hal scheinbar war.«
KC zögerte.
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