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Kates Geheimnis

Kates Geheimnis

Titel: Kates Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
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sie würde einen Versuch wagen. Und außerdem, waren Bibliothekare nicht dazu da, unerfahrenen Besuchern wie ihr zu helfen?
    Sie schob sich ihre zu langen Ponysträhnen aus den Augen, ging über den weiten Vorplatz und betrat das hallenartige Foyer. Es war überraschend still hier. Jill ging zur Information und erfuhr, dass sie die Bibliothek nicht benutzen durfte.
    »Sie brauchen einen Bibliotheksausweis, meine Liebe«, sagte die freundliche weißhaarige Dame.
    »Einen Ausweis?« Jill lehnte sich an den Infoschalter. »Ich möchte gar nichts ausleihen - ich will alte Zeitungsartikel durchsehen, Klatschspalten und solche Sachen«, erklärte sie fast verzweifelt. »Sie brauchen trotzdem einen Ausweis, um
    hineinzukommen«, erklärte die Frau mit einem freundlichen Lächeln. Ihr Namensschild wies sie als Janet Broadwick aus, und sie war mindestens sechzig.
    »Aber wir haben eine wunderbare Ausstellung, die Sie besuchen können«, fügte sie hinzu.
    »Wie kann ich denn einen Bibliotheksausweis bekommen?«, fragte Jill bestürzt.
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    Die Angestellte erklärte ihr, dass sie einen schriftlichen Antrag einreichen musste - und dass es dann noch vier bis sechs Wochen dauern würde, bis sie die Bibliothek benutzen durfte.
    Jill schaute sie an, ohne sie wirklich wahrzunehmen. »Das glaub ich einfach nicht«, flüsterte sie. Ihre Kopfschmerzen wurden schlimmer und machten sie fast blind. Außerdem drohten ihre Beine nachzugeben. Jill bekam Angst. Sie fürchtete, erneut in Ohnmacht zu fallen.
    »Meine Liebe?«
    Jill schüttelte den Kopf. Tränen standen ihr in den Augen. Sie begann heftig zu zittern und sie wusste, dass sie einen Ort finden musste, wo sie sich hinlegen konnte, bevor sie zusammenbrach oder Schlimmeres.
    Offenbar hatte sie ihre Kräfte überschätzt. Oder die Beerdigung und die Sheldons hatten ihr den Rest gegeben.
    »Du meine Güte!«, rief die alte Dame erschrocken und kam um ihren Schreibtisch herumgeeilt. »Ist Ihnen schlecht?«, fragte sie und packte Jill am Arm.
    Jill starrte sie an, während die Frau vor ihren Augen zu tanzen schien. »Mein Freund ist tot«, sagte sie unsicher. »Ich komme gerade von der Beerdigung, und ich will nicht zu seiner Familie zurück - sie halten mich für die Schuldige, verstehen Sie. Ich hab das Auto gefahren.«
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    »Oh, Sie armes Ding«, rief Janet Broadwick.
    »Kommen Sie und setzen Sie sich erst einmal.«
    Jill ließ sich von der Frau in ein Büro und zu einem Stuhl führen. Sie schloss die Augen, legte das Kinn in die Hände und stützte die
    Ellbogen auf die Oberschenkel. Allmählich beruhigte sich ihr Puls. »Ich habe ein Foto in seinem Schlafzimmer gefunden«, hörte sie sich sagen. Und dann schaute sie diese freundliche Dame mit dem bläulich schimmernden weißen Haar an und erzählte ihr alles.
    Wenig später nippte Jill an einer Tasse Tee und knabberte ein Rosinenbrötchen. Und ihre Retterin, Janet Broadwick, stellte sie der Bibiliotheksleiterin Katherine Curtis vor, einer jungen Frau in beigefarbener Hose und grauer Strickjacke.
    Jill merkte, dass sie richtig Hunger hatte - zum ersten Mal seit Tagen. Während sie das Rosinenbrötchen verschlang, stellte Katherine ihr Fragen über Kate und Anne. »Mal sehen, ob ich Ihnen helfen kann«, sagte sie; ihr Gesicht wirkte streng, aber ihre blauen Augen blickten weich durch ihre quadratische, schwarze Brille.
    Entschlossenen Schrittes verließ Katherine den Raum. Janet Broadwick tätschelte Jills Arm. »Sie sehen schon besser aus, meine Liebe. Ich muss sagen, vor ein paar Minuten waren Sie ganz grün im Gesicht.«
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    »Ich habe Hunger«, erwiderte Jill überrascht. »Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt etwas gegessen habe.«
    »Lassen Sie mich Ihnen ein Sandwich holen. Sie bleiben inzwischen hier und ruhen sich aus. Wenn irgendjemand finden kann, wonach Sie suchen, dann Katherine. Sie ist wirklich hervorragend.« Janet lächelte sie an.
    »Vielen Dank«, sagte Jill, überwältigt von so viel Freundlichkeit. So etwas wäre in New York unvorstellbar gewesen. Sie sah der Frau nach und dachte, dass die Welt weiß Gott viele Überraschungen bereithielt, und dann betrachtete sie die Aktenschränke, die die Wände säumten. Schließlich sank sie erschöpft auf ihrem Stuhl zurück, wünschte sich noch ein Rosinenbrötchen und hatte das Gefühl, nie wieder aufstehen zu können, selbst dann nicht, wenn die Bibliothek in Flammen aufginge. Einen Augenblick später war sie eingeschlafen.
    »Miss Gallagher. Schlafen

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