Kates Geheimnis
jetzt wieder gesehen?«
KC schüttelte den Kopf, aber sie hatte Tränen in den Augen. »Es war nur ein Traum, Jillian, aber er war schrecklich.«
Jill entspannte sich ein wenig, weil sie sich nicht um Träume scherte. Und KC hatte noch nie zuvor von Träumen gesprochen. Sie schienen nicht zu ihrem übersinnlichen Repertoire zu gehören. Aber KC sagte:
»Ich habe von dieser Kate Gallagher geträumt. Jillian, sie war eingesperrt.« KC begann zu weinen.
Jill sah entgeistert, dass ihrer Freundin Tränen über die Wangen liefen. »Warum weinst du?«, flüsterte sie.
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»Es war so dunkel, und sie hat solche Angst gehabt, so furchtbare Angst«, antwortete KC ebenfalls flüsternd. »Aber dann ... « Sie verstummte.
»Dann was?«, fragte Jill barsch.
KC schüttelte wieder den Kopf. »Ich weiß nicht. Es war nur ein Traum. Ich weiß, was du jetzt denkst, aber ich kann nicht hellsehen, und ich sehe nie etwas in Träumen voraus.«
Sie sahen sich an. »Zumindest bis jetzt«, flüsterte KC.
Jill schauderte. Zögerlich fragte sie: »Wie sah sie aus? In deinem Traum?«
KC fuhr sich über die Augen. »Sie war jung und schön.«
»Und?«
»Ich weiß nicht.«
Jill fühlte so etwas wie Erleichterung.
Dann sagte KC: »Sie hatte wundervolles Haar.
Lang und rot, und lockig.«
Jills Puls begann zu rasen. »Das hatte sie wirklich.
Wie konntest du das wissen? Hab ich dir das erzählt?«
»Ich weiß nicht.« KC stand auf, ging zur Küche und holte sich ein Glas Wasser.
Jill folgte ihr und stellte sich ihr gegenüber. Sie konnte sich nicht erinnern, KC jemals Kates Äußeres beschrieben zu haben. »Kate hat ihrer besten 215
Freundin, Anne, geschrieben. Anne war Hals Großmutter. Ich will diese Briefe finden. Ich bin sicher, dass Hal sie irgendwo in seiner Wohnung versteckt hat.”
»Du hast doch noch den Schlüssel, oder?«
»Nein, hab ich nicht. Als ich neulich bei ihm drüben war, bin ich Thomas begegnet.« Jill runzelte die Stirn. »Er hat mich um den Schlüssel gebeten, und ich musste ihn rausrücken.« Jill starrte auf die Arbeitsplatte mit ihren Kacheln in fröhlichem Ringelblumen-Gelb. »Ich frage mich, ob ich das Schloss knacken könnte.«
»Jillian! Das ist doch verboten!«
Jill blickte auf. »Ich weiß. Das ist Einbruch. Aber Thomas ist im Waldorf abgestiegen, er ist nicht in der Wohnung. Er wird mich schon nicht erwischen.«
Wagte sie das wirklich? War sie denn verrückt geworden?
»Ich halte das für keine so gute Idee.« KC war bleich. »Jill, bitte, du musst dir das mit London noch mal gut überlegen.«
Jill hatte eine Eingebung. »Ich hab eine tolle Idee!«
Sie starrte ihre Freundin an. »Ich kenne den Portier.
Ich werd ihm sagen, dass ich meinen Schlüssel vergessen und meine Handtasche verloren hab oder so was. Er wird mich reinlassen.« Auf einmal war sie richtig
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aufgekratzt. Sie kannte alle Portiers dort. Sie würden ihr die Tür aufsperren, daran hatte sie keine Zweifel.
»Das ist eine gute Idee«, stimmte KC zu, aber sie war noch nicht zufrieden. »Vielleicht sollte ich mitkommen. Ich könnte dir suchen helfen.«
»Würdest du das tun?« Jill wusste, dass sie Hilfe brauchen würde. Aber dann verzog KC ihr Gesicht und sah auf die Uhr. »Himmel! Ich hab’s vergessen!
Ich trete in einer Stunde auf.«
»Du trittst auf?«
KC nickte. »Ich soll in so einer Bar spielen. Nicht gerade der Wahnsinn. Aber sie lassen mich während der Happy Hour mit der Gitarre auftreten. Macht irgendwie Spaß. Ich treffe ziemlich coole Leute.«
Jill griff nach ihrer Tasche. »KC, ich muss los.«
Während Thomas noch bei der Arbeit war - hoffte sie jedenfalls. »Bitte hör dich um, ob jemand Interesse an meiner Wohnung hat.«
»Warte!« KC hielt sie am Ellbogen fest. »Jillian, ich war nicht ganz aufrichtig zu dir.«
Jill riss die Augen auf. KC konnte gar nicht lügen.
Schon der Gedanke war abwegig. »Was meinst du damit?«
»Ich hab etwas Entsetzliches gesehen«, rief KC und packte ihren Arm noch fester. »Bitte geh nicht!«
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Jills Begeisterung verpuffte. KC war so außer sich, dass sie sich lange Augenblicke nicht rührte und nicht sprach. »Was? Was hast du gesehen?«
KC ließ die Hand sinken. »In dem Traum, Jillian.
Aus Kate wurdest du.«
Jill war wie versteinert.
Aus Kate wurdest du.
Dieser Satz verfolgte Jill, als sie den Schlüssel, den sie vom Portier bekommen hatte, in das Schloss von Hals Wohnung steckte. KC
wusste nicht, was der Traum zu bedeuten hatte.
Aber sie sagte, dass
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