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Kates Geheimnis

Kates Geheimnis

Titel: Kates Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
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    Jill klar, dass ihre Mutter alle möglichen Erinnerungsstücke an ihre Familie hatte, während da bei Jack überhaupt nichts war - bis auf die Anwesenheit seines Vaters auf dem einzigen Hochzeitsfoto. Es war mehr als merkwürdig. Es war eine himmelschreiende Lücke.
    Aber was hatte das zu bedeuten?
    Hatte Jack seinen Vater gehasst? Hatten sie sich zerstritten? Oder hatte er etwas in seiner Vergangenheit, in seiner Familie aus dem Weg gehen wollen? Hatte er vielleicht sogar etwas verborgen?
    Jill hatte keine Ahnung. Sie griff nach den Briefen ihrer Mutter - und ein weiteres Puzzlestückchen schien wie von selbst an die richtige Stelle zu fallen.
    Als Jill nach dem Einkaufen ihre Wohnungstür aufschloss, hörte sie drinnen den CDSpieler. Sie erstarrte hinter der halb geöffneten Tür. Hatte sie ihn laufen lassen, als sie ging? Das glaubte sie nicht. Sie war sogar ziemlich sicher.
    Im nächsten Moment wurde Jill klar, dass KC sich wohl mit ihrem Schlüssel selbst hereingelassen hatte -
    das tat sie manchmal. Einen schrecklichen Augenblick lang war sie panisch geworden, hatte das Schlimmste angenommen und dabei ganz die Neigung ihrer besten Freundin vergessen, einfach mal reinzuschauen.
    211

    Ihr Gehirn funktionierte nicht wie üblich. Sie war unkonzentriert und vergesslich geworden. Letzte Nacht hatte sie trotz des Beruhigungsmittels überhaupt nicht geschlafen. Sie war zu aufgekratzt gewesen wegen einem der Briefe von Shirleys Mutter.
    Jill hatte den Grund für die Englandreise ihrer Eltern herausgefunden. Peter war in jenem Jahr, 1970, an Herzversagen gestorben. Sein Tod war ein Schock gewesen. Er war erst zweiundsechzig, und alle hatten angenommen, er sei kerngesund. Aber Vater und Sohn standen sich nicht sehr nahe, und jetzt, so schrieb Shirley, gab Jack sich die Schuld an allem, an ihrer Entfremdung und sogar am viel zu frühen Tod seines Vaters.
    Jack hatte auch darauf bestanden, dass sie nach England reisten - er hatte das Land sehen wollen, aus dem sein Vater stammte. Ihre Eltern waren drei Wochen lang als Touristen in Yorkshire herumgereist, Jack vor Trauer und Schuld ganz durcheinander. Peter war in Yorkshire geboren worden, und Jack glaubte, obwohl er sich nicht sicher war, dass York seine Geburtsstadt war. Shirley hatte ihrer Mutter am Ende des Briefes erzählt, dass sie sich darauf freute, wieder nach Hause zu kommen - und dass sie endlich schwanger war.
    Jill hatte rasch nachgerechnet, während sie den Brief wieder und wieder las. Peter war 1908 auf die 212

    Welt gekommen. Das Jahr, in dem Kate verschwunden war.
    Das konnte kein Zufall sein, und Jill bekam jedes Mal eine Gänsehaut, wenn sie daran dachte.
    Jetzt lief KC in ihrer Wohnung hin und her. Als sie Jill entdeckte, blieb sie abrupt stehen. »Ich bin ja so froh, dass du wieder da bist! Ich muss mit dir reden, Jill. Weißt du eigentlich, dass deine Tür nicht abgeschlossen war?«
    Jill schloss die Tür und blieb stehen. »Im Ernst?«
    »Jap.« KC kam auf sie zu. Sie trug ein knappes pinkfarbenes Top und einen langen, wehenden bunten Rock. Ihr langes blondes Haar war zu einem Zopf geflochten. »Jill, du siehst ja furchtbar aus!«
    »Danke«, sagte Jill. Sie und KC hatten sich seit ihrer Rückkehr mehrmals verpasst. Sie hatten einander Nachrichten auf dem Anrufbeantworter hinterlassen, anstatt eine ausgiebige Unterhaltung zwischen Freundinnen genießen zu können. »Ich kann es gar nicht fassen, dass ich nicht abgeschlossen habe«, sagte Jill.
    »Vielleicht liegt es an deinen Medikamenten.«
    Jill war erleichtert. »Wahrscheinlich.«
    »Ach, du armer Schatz!« Urplötzlich schlang KC
    die Arme um Jill und drückte sie fest an sich.
    »England muss schrecklich gewesen sein!«
    Jill stellte ihre Gefühle normalerweise nicht zur Schau - und sie hatte darin sowieso nicht viel Übung, 213

    wenn man von der kurzen Zeit mit Hal absah. Sie wich unbehaglich zurück. »Es war die Hölle.« Und das fand Jill noch untertrieben.
    »Es hat sich angehört, als wären das sehr böse Menschen«, sagte KC. »Jill, ich hoffe, ich habe deine letzte Nachricht falsch verstanden. Du willst doch nicht nach London zurück, oder?«
    »Doch. Aber du musst mir helfen, KC, ich muss einen Untermieter finden, bevor ich fahre. Ich bin ziemlich pleite.«
    KC staunte. Aber dann wurde sie dramatisch. »Du kannst da nicht wieder hin. Ich mache mir ehrlich Sorgen um dich.«
    Jill sah sie beunruhigt an. »Warum?« Sie bekam die nächsten Worte kaum heraus. »Was hast du

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