Kates Geheimnis
gehört hatte. »Tu das nicht.« Lauren nahm ihre Hand.
Marisa entzog sie ihr. »Hat er irgendetwas gesagt -
über mich?« Ihre Stimme überschlug sich am Ende vor Aufregung, Hoffnung und Angst.
Und Jill verstand. Obwohl Marisa für sie eine Konkurrentin war, wurde sie von Mitgefühl für sie 347
überwältigt. Marisa wollte wissen, ob Hal Jill von ihr erzählt hatte, oder ob er Jill gesagt hatte, dass er Marisa liebte oder sie heiraten wollte, so etwas in der Art. »Er hat mir nie von Ihnen erzählt«, sagte sie schließlich wahrheitsgemäß.
Marisas Lächeln erstarb. Lauren legte einen Arm um sie, und während Marisa in ihrer Krokotasche nach einem Taschentuch suchte, warf Lauren Jill einen bitterbösen Blick zu.
Jill erstarrte. Dieser Blick war zutiefst bösartig.
Aber im nächsten Moment war er verflogen.
»Ich sollte jetzt gehen«, sagte Jill. Ihr war sehr unbehaglich zu Mute, und sie verspürte den Drang, Marisa die Wahrheit zu sagen - dass Hal gerade dabei gewesen war, mit ihr Schluss zu machen. Diese Reaktion hatte sie nicht erwartet. Sie hatte nichts als Hass erwartet. Sie hatte sogar erwartet, dass diese Frau ihr eine hässliche Szene machen würde. Doch Marisa hatte etwas sehr Nettes an sich. Sogar etwas Anziehendes. Wie konnte Jill jemanden verabscheuen, der so trauerte? Ihr Schmerz war unvorstellbar.
»Er fehlt mir so«, flüsterte Marisa plötzlich erstickt in ihr Taschentuch. »Wenn er nur noch leben könnte!«
Lauren führte Marisa zu zwei thronartigen Stühlen an einem Marmortisch. Jill sah ihnen nach; sie wollte davonlaufen, konnte sich aber nicht bewegen.
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Marisa blickte auf. »Er wollte nach Hause kommen«, schrie sie Jill mit schmerzverzerrtem Gesicht an. »Das hat er mir gesagt. Er hätte mich nie angelogen -
wir hatten keine Geheimnisse
voreinander , er hat mir sogar von Ihnen erzählt. Er war mein bester, mein allerbester Freund! Wie soll ich ohne ihn leben?!«
Jill verstand sie. »Marisa.«
Sie blickte auf, die Nase gerötet, die Haut fleckig, Gesicht und Körper makellos.
»Er war sich nicht sicher, ob das mit uns was würde«, sagte Jill, obwohl es ihr vor ihren Worten graute. »Er hatte Heimweh. Das hat er mir gesagt.«
Marisas Augen leuchteten auf.
Mehr konnte Jill nicht tun.
»Danke«, sagte Marisa. Dann begann sie wieder zu weinen.
Jill nickte Lauren knapp zu und ging zur Tür.
Leider kam Lauren neben ihr her. »Ist Alex hier?«, fragte sie. »Hat er dich wieder hergebracht?«
»Nein.« Jill zögerte. »Dein Vater hat mich hergebeten.«
»Was könnte es denn geben, woran ihr beiden ein gemeinsames Interesse habt?«, gab Lauren offensichtlich verwirrt zurück.
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Jill sagte: »Da wirst du wohl ihn fragen müssen.«
Sie schaute zu Marisa zurück, die um ihre Fassung rang. »Sag ihr, dass es mir Leid tut«, fügte sie hinzu.
Damit ging sie und ließ Lauren stehen.
Jill eilte die Auffahrt hinunter und durch das schmiedeeiserne Tor. Als sie die schattige Allee erreichte, blieb sie stehen, um wieder zu Atem zu kommen und sich zu beruhigen. Ihre Schläfen hämmerten. Sie fing an, Marisa und Hal als Paar zu sehen.
Und als sie da so stand und fast wünschte, sie wäre Marisa nie begegnet, hallten ihr ihre Worte durch den Kopf.
Wir hatten keine Geheimnisse voreinander.
Jill starrte über die Straße, ohne die riesige Villa gegenüber und Kensington Gardens dahinter zu sehen. Hatte Hal Marisa alles erzählt?
Hatte er ihr von Kate erzählt?
Mit der Hüfte drückte Jill ihre Haustür auf. Sie hielt zwei Tüten in der Hand, eine mit Lebensmitteln, die andere mit einem brandneuen Sony-Anrufbeantworter, den sie nach ihrem Gespräch mit KC unbedingt hatte kaufen wollen. Sie lächelte Lady Eleanor an, die erwartungsvoll auf dem Sofa im Wohnzimmer saß und sie unbeweglich anblickte. Ein weiteres silbrig braunes Knäuel verschwand in die 350
Küche, vermutlich, um durch die Klappe in der Tür in den Garten zu flüchten.
»Wie steht’s, Lady E.?« Jill lächelte die Siamkatze an und trug ihre Einkäufe in die Küche. Während sie den Anrufbeantworter anschloss - wozu sie die Gebrauchsanweisung lesen musste , wanderten ihre Gedanken immer wieder zu ihrem deprimierenden Vormittag zurück. Nachdem sie eine Ansage aufgenommen hatte, wählte sie Lucinda Beckes Nummer, ließ sich auf einen der Küchenstühle fallen und machte sich eine Dose Cola auf.
»Wie kommen Sie zurecht, Jill?«, fragte die Direktorin.
»Ich habe das Gefühl, in einer Sackgasse zu stecken«,
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