Katharina von Medici (German Edition)
auf Christoph hindeutend, ins Ohr, »habt Ihr ihn gut gepflegt? Wird er gehen können?«
»Fliegen wird er«, antwortete lächelnd der Chirurg.
»Ach, sehr schlau habt Ihr ihn uns abtrünnig gemacht.«
»Wenn es an Mönchen mangelt, feiert die Abtei doch nicht«, antwortete die Königin mit jener Leichtfertigkeit, die man ihr zum Vorwurf machte und die doch nur an der Oberfläche lag.
Das Abendessen war heiter, die Königin fand Babette hübsch, und als große Königin – und als solche zeigte sie sich stets, – steckte sie ihr einen ihrer Diamanten an den Finger, um den Verlust wettzumachen, welchen der Becher bei Lecamus verursachte.
Der König Karl der Neunte, der später vielleicht allzuviel Geschmack an solcher Art Überfällen bei seinen Bürgern fand, speiste mit gutem Appetit; dann veranlaßte er auf ein Wort seines neuen. Gouverneurs hin, der, wie es heißt, den Auftrag hatte, ihn alle guten Weisungen des Herrn von Cypierre vergessen zu lassen, den ersten Präsidenten, den alten demissionierenden Rat, den Staatssekretär, den Pfarrer, den Notar und die Bürger so zu trinken, daß die Königin Katharina im Augenblicke aufbrach, wo sie sah, daß die Fröhlichkeit allzu heiß wurde.
Im Moment, wo die Königin-Mutter sich erhob, nahmen Christoph, sein Vater und die beiden Frauen Armleuchter und geleiteten sie bis auf die Ladenschwelle. Dort wagte Christoph die Königin an ihrem langen Ärmel zu zupfen und machte ihr ein Zeichen geheimen Einverständnisse. Katharina blieb stehen, schickte Ehren Lecamus und die beiden Frauen mit einer Handbewegung fort und sagte zu Christoph:
»Was gibt's?«
»Wenn Ihr einen Vorteil daraus ziehen könnt, Madame, so wisset,« sagte er, der Königin ins Ohr flüsternd, »daß der Herzog von Guise von Mördern aufs Korn genommen wird...«
»Du bist ein treuer Untertan,« erklärte Katharina lächelnd, »und nie werd' ich dich vergessen.«
Sie streckte ihm die Hand hin, die ihrer Schönheit wegen so berühmt war, indem sie vorher aber den Handschuh auszog, was für einen Gunstbeweis gelten konnte. Auch ward Christoph, als er diese anbetungswürdige Hand küßte, überzeugter Royalist.
›Diesen alten Haudegen werden sie mir also vom Halse schaffen, ohne daß ich das geringste damit zu tun habe‹, dachte sie, ihren Handschuh wieder überstreifend.
Sie stieg auf ihren Maulesel und ritt mit ihren beiden Pagen in den Louvre zurück.
Immer weiter trinkend blieb Christoph doch finster, Ambrosius strenges Gesicht warf ihm seine Abtrünnigkeit vor; die vorhergehenden Ereignisse aber gaben dem alten Syndikus gewonnenes Spiel.
Als Calvinist wäre Christoph den Metzeleien der Sankt Bartholomäusnacht sicherlich nicht entronnen, seine Reichtümer und sein Besitz würden die Mörder auf ihn aufmerksam gemacht haben.
Die Historie hat das grausame Los der Frau des Lallierschen Nachfolgers aufgezeichnet, die ein schönes Geschöpf war. Ihr nackter Leichnam blieb drei Tage über an den Haaren an einen der Stützbalken der Wechslerbrücke aufgeknüpft hängen. Babette zitterte damals, als sie dachte, daß es ihr ähnlich hätte ergehen können, wenn Christoph Calvinist – denn so wurden die Reformierten bald genannt – geblieben wäre. Calvins Ehrgeiz ward also befriedigt, doch erst nach seinem Tode.
Das war der Ursprung des berühmten Parlamentarierhauses der Lecamus. Tallemant des Réaux beging einen Fehler, als er sie aus der Picardie stammen ließ. Die Lecamussche Familie hatte später ein Interesse daran, ihr Bestehen von dem Erwerb ihrer in jenem Lande gelegenen Hauptbesitzung an zu rechnen. Christophs Sohn, welcher ihm unter Ludwig dem Dreizehnten nachfolgte, ward der Vater jenes reichen Präsidenten Lecamus, der unter Ludwig dem Vierzehnten das prachtvolle Hotel erbaute, das dem Hotel Lambert, welches doch wahrlich eines der schönsten Bauwerke von Paris ist, die Bewunderung der Pariser und der Fremden streitig machte. Das Hotel Lecamus existiert noch in der Rue de Thorigny, obwohl es zu Beginn der Revolution, da es Herrn von Juigné, dem Erzbischof von Paris, gehörte, ausgeplündert ward. Damals sind alle Gemälde dort vernichtet worden, und seitdem haben ihm die Pensionate, die darinnen untergebracht sind, starken Schaden zugefügt. Dieser Palast, der in der alten Kürschnerstraße verdient wurde, ist auch ein Denkmal der schönen Ergebnisse, die einstmals Familiensinn erzielte. Man darf berechtigten Zweifel daran hegen, ob der moderne Individualismus, der durch die
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