Katharina von Medici (German Edition)
Menschen, die seine Gedanken bespähten. Die Höflinge standen barhäuptig aufrecht im Grunde des Saals. Die einen plauderten mit leiser Stimme, die anderen beobachteten den König, indem sie einen Blick oder ein Wort von ihm erwarteten. Von der Königin-Mutter gerufen, unterhielt sich ein anderer mit ihr. Wieder ein anderer wagte Karl dem Neunten ein Wort zu sagen, der mit einem Kopfnicken oder einer knappen Äußerung antwortete. Ein deutscher Edelmann, der Graf von Solern, stand hoch aufgereckt in der Kaminecke bei Karls des Fünften Enkelin, die er nach Frankreich begleitet hatte. Bei der jungen Königin saß auf einem Tabouret ihre Ehrendame, die Gräfin von Fiesko, die als eine Strozzi Katharinas Verwandte war. Die schöne Frau von Sauves, eine Nachfahrin von Jacob Coeur, die nacheinander des Königs von Navarra, des Königs von Polen und des Herzogs von Alençon Geliebte wurde, war zum Abendessen eingeladen gewesen; doch war sie zum Stehen genötigt: ihr Gatte war nur Staatssekretär. Hinter diesen beiden Damen plauderten die beiden Gondis mit ihnen. Sie als die einzigen lachten in dieser düsteren Gesellschaft. Gondi, der Herzog von Retz und Kammerjunker geworden war, nachdem er den Marschallstab erlangt hatte, ohne jemals ein Heer befehligt zu haben, war beauftragt gewesen, die Königin zu Speyer an Königs Statt zu heiraten. Solche Gunst beweist zur Genüge, daß er wie sein Bruder zu der kleinen Zahl derer gehörte, denen die beiden Königinnen und der König gewisse Vertraulichkeiten durchgehen ließen. Auf des Königs Seite bemerkte man in erster Linie den Marschall von Tavannes, der Geschäftehalber an den Hof gekommen war, Neufville von Villeroy, einer der geschicktesten Unterhändler jener Zeiten, mit welchem das Glück seiner Familie anhub, und die Herrn von Birago und Chiverni, der eine die Kreatur der Königin-Mutter, der andere Kanzler von Anjou und Polen, der, um Katharinas Vorliebe wissend, sich an Heinrich den Dritten gehängt hatte, jenen Bruder, den Karl der Neunte für seinen Feind hielt. Ferner waren da Strozzi, der Königin-Mutter Vetter, und endlich einige Edelleute, unter denen der alte Kardinal von Lothringen und sein Neffe, der junge Herzog von Guise, hervorstachen, welche beide von Katharina und dem Könige in gewissem Abstände gehalten wurden. Diese beiden Häupter der heiligen Union, die später die Liga genannt ward und die vor einigen Jahren im Einvernehmen mit Spanien gegründet worden war, trugen die Unterwürfigkeit jener Diener zur Schau, die auf die Gelegenheit warten, die Herren zu werden: Katharina und Karl der Neunte beobachteten sie mit gleicher Aufmerksamkeit.
Bei dieser Cour, die ebenso düster war wie der Saal, in dem sie abgehalten wurde, hatte jeder seine Gründe, traurig zu sein oder zu träumen. Die junge Königin war die Beute der Eifersuchtsqualen und verbarg sie schlecht, indem sie scheinbar ihrem Gatten zulächelte, den sie als frommes und anbetungswürdig gutes Weib leidenschaftlich liebte. Marie Touchet, Karls des Neunten einzige Geliebte, welcher er ritterlich treu blieb, war vor mehr denn einem Monde aus Schloß Fayet in der Dauphiné zurückgekehrt, wo sie ihre Niederkunft abgewartet hatte. Sie brachte Karl dem Neunten den einzigen Sohn mit, den er besessen, Karl von Valois, der erst Graf von Auvergne, dann Herzog von Angoulême wurde. Außer dem Kummer, ihre Rivalin dem Könige einen Sohn schenken zu sehen, während sie nur eine Tochter hatte, verspürte die arme Königin die Demütigungen einer plötzlichen Vernachlässigung. Während seiner Geliebten Abwesenheit hatte der König sich seinem Weibe mit einem Überschwange genähert, welchen die Historie lügnerischer Weise als eine seiner Todesursachen ausposaunte. Marie Touchets Rückkehr lehrte die fromme Österreicherin also, welch geringen Anteil das Herz bei ihres Gatten Liebe besessen hatte. Das war nicht die einzige Enttäuschung, welche die Königin bei dieser Gelegenheit erlebte: bislang hatte sie Katharina von Medici für ihre Freundin gehalten, jetzt aber hatte ihre Schwiegermutter aus Politik diesen Verrat begünstigt, indem sie es vorzog, lieber des Königs Geliebten als des Königs Weibe zu dienen. Und das aus folgender Ursache:
Als Karl der Neunte seine Leidenschaft zu Marie Touchet beichtete, zeigte Katharina sich dem Mädchen aus Gründen, die sich auf das Interesse ihrer Herrschaft stützten, günstig gesinnt. Sehr jung an den Hof geworfen, langte Marie Touchet dort zu jener
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