Katharina von Medici (German Edition)
gleiche Erbteilung erzeugt wurde, ähnliche Bauwerke aufführen wird.
Vertrauliche Mitteilungen der Brüder Ruggieri
Zwischen elf und zwölf Uhr nachts saßen gegen Ende des Oktobermondes anno 1573 zwei Italiener aus Florenz, zwei Brüder, Albert von Gondi, Marschall von Frankreich, und Karl von Gondi la Tour, Großmeister der königlichen Kleiderkammer Karls des Neunten, oben auf einem in der Sankt Honoriusstraße gelegenen Hause am Rande der Dachrinne. Die Dachrinne ist der Steinkanal, der sich zu jenen Zeiten unten an den Dächern befand, um die Gewässer aufzufangen. In bestimmten Zwischenräumen wird er von langen Wasserspeiern unterbrochen, die in phantastische Tierformen mit weitklaffenden Mäulern ausgehauen sind. Trotz des Eifers, mit dem die augenblickliche Generation die alten Häuser niederreißt, gab's zu Paris noch viele vorragende Traufen, bis kürzlich ein Polizeibefehl über die Abflußröhren sie verschwinden ließ. Nichtsdestoweniger bleiben noch einige skulpierte Dachrinnen übrig, die man hauptsächlich im Herzen des Sankt Antoniusviertels zu sehen bekommt, wo es sich bei der Billigkeit der Mieten nicht lohnt Speicherräume auszubauen. Seltsam muß es anmuten, daß zwei mit also hohen Chargen bekleidete Persönlichkeiten so dem Katzenmetier nachgingen. Für den aber, der die historischen Schätze jener Zeit durchstöbert, wo die Interessen um den Thron herum sich in so mannigfacher Weise kreuzten, daß man die innere Politik Frankreichs eine Strähne verwirrten Garnes nennen könnte, sind diese beiden Florentiner als wirkliche Katzen in einer Dachrinne sehr an ihrem Platze. Ihre Ergebenheit der Person der Königin Katharina von Medici gegenüber, die sie an den französischen Hof verpflanzt hatte, verpflichtete sie vor keiner Folgerung ihres Sich-Aufdrängens zurückzuweichen. Um aber zu erklären, wie und warum die beiden Höflinge sich also aufgebäumt hatten, muß man sich eine Szene vergegenwärtigen, die zwei Schritte von jener Dachrinne, im Louvre, in jenem schönen dunkelgebräunten Saale sich abspielte, welcher uns vielleicht als einziges von Heinrichs des Zweiten Gemächern übrigblieb und wo die Höflinge den beiden Königinnen und dem Könige nach dem Abendessen ihre Aufwartung machten.
Zu jener Zeit speisten Bürger und vornehme Herren, die einen um sechs Uhr, die anderen um sieben Uhr zu Abend; die Raffinierten aber taten es zwischen acht und neun Uhr. Diese Mahlzeit war das heutige Diner. Manche Leute glauben zu Unrecht, die Etikette sei von Ludwig dem Vierzehnten erfunden worden. In Frankreich stammt sie von Katharina von Medici her, die sie so streng schuf, daß der Kronfeldherr Anne von Montmorency nur mit Mühe durchsetzte, hoch zu Roß in den Louvrehof einreiten zu dürfen – seinen Degen hatte er wahrlich leichter errungen –, und solch unerhörte Auszeichnung ward ihm obendrein nur seines hohen Alters wegen zugestanden! Nachdem die Etikette unter den ersten Königen des Hauses Bourbon etwas weniger streng gehandhabt worden war, nahm sie unter dem großen Könige eine orientalische Form an: denn sie stammte aus dem oströmischen Kaiserreiche, das sie wiederum von Persien übernommen hatte. Anno 1573 besaßen nicht nur wenige Leute das Recht, mit ihrem Gefolge und ihren Fackelträgern im Louvrehofe anzulangen (wie unter Ludwig dem Vierzehnten nur die Herzöge und Pairs in der Karosse unter dem Peristyl vorfahren durften), sondern es ließen sich auch die Chargen, welche Erlaubnis besaßen, nach dem Abendmahle die königlichen Gemächer zu betreten, an der Hand herzählen.
Der Marschall von Retz, der da in seiner Wasserrinne Posten stand, bot eines Tages tausend Taler damaligen Geldes dem Türhüter des Kabinetts, um mit Heinrich dem Dritten in einem Augenblicke reden zu können, in welchem er nicht das Recht dazu hatte.
Zu welchem Gelächter fordert einen wirklichen Historiker zum Beispiel das Bild des Schloßhofes zu Blois heraus, in den Maler einen Edelmann hoch zu Roß hineinstellen.
Zu dieser Stunde befanden sich also im Louvre nur die erlauchtesten Persönlichkeiten des Reichs. Die Königin Elisabeth von Österreich und ihre Schwiegermutter Katharina von Medici saßen in der linken Kaminecke. In der anderen Ecke heuchelte, in seinem Sessel vergraben, der König eine Apathie, die mit Verdauung begründet werden konnte: er hatte als ein Fürst gegessen, der von der Jagd zurückkehrte. Vielleicht wollte er auch vom Sprechen Abstand nehmen in Gegenwart so vieler
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