Katharina von Medici (German Edition)
analytischen Jahrhunderts überraschen mag. Vielleicht werden sie in dieser historischen Skizze den Keim der positiven Wissenschaften aufgehen sehen, die im neunzehnten Jahrhundert ohne die poetische Größe erblühten, welche die kühnen Sucher des sechzehnten Jahrhunderts hineintrugen; denn statt Industrie zu treiben, erhöhten sie die Kunst und befruchteten sie den Gedanken. Der jenen Wissenschaften von den Herrschern jener Zeiten gewährte allgemeine Schutz wurde übrigens durch die wunderbaren Schöpfungen der Erfinder gerechtfertigt, die von der Erforschung des »großen Werkes« ausgingen, um zu erstaunlichen Ergebnissen zu gelangen. Auch waren die Souveräne niemals begieriger auf solche Geheimnisse als zu den Zeiten. Die Fugger, welche jeder Lucullus von heute als seine Fürsten anerkennt und die Bankiers als ihre Lehrer erachten, waren gewißlich schwer zu überrumpelnde Kalkulatoren; diese Männer aber, welche die Kapitalien Europas den ebensosehr wie heutzutage in Schulden erstickenden Herrschern des sechzehnten Jahrhunderts liehen, diese berühmten Wirte Karls des Fünften steckten ihre Gelder in des Paracelsus Schmelzöfen.
Zu Anbeginn des sechzehnten Jahrhunderts war Ruggieri der Alte Haupt jener Geheimuniversität, aus der die Cardanus, die Nostradamus und die Agrippa, die der Reihe nach Ärzte der Valois waren, kurz alle die Astronomen, Astrologen und Alchemisten hervorgingen, welche die Fürsten der Christenheit zu jener Epoche umgaben und die in Frankreich hauptsächlich von Katharina von Medici an den Hof gezogen und beschützt wurden. In dem Nativitätsthema, das Bazile und Ruggieri der Alte stellten, wurden die hauptsächlichsten Ereignisse in Katharinas Leben mit einer Exaktheit vorausgesagt, welche die Verneiner der okkulten Wissenschaften schier zur Verzweiflung bringen müßte. Das Horoskop kündigte die Unglücksfälle, die während der Florentiner Belagerung den Beginn ihres Lebens signalisierten, ihre Heirat mit einem Sohne Frankreichs, die unerwartete Thronbesteigung dieses Prinzen, die Geburt ihrer Kinder und deren Zahl an. Drei ihrer Söhne sollten jeder seinerseits König werden, zwei Töchter sollten Königinnen sein und alle ohne Nachkommenschaft sterben. Diese Voraussage verwirklichte sich in jeder Beziehung, und viele Historiker haben daher geglaubt, sie sei hinterdrein aufgestellt worden.
Jedweder weiß, daß Nostradamus ins Schloß zu Chaumont, wohin sich Katharina nach la Renaudies Verschwörung begab, eine Frau brachte, welche die Gabe besaß in der Zukunft lesen zu können. Unter Franz des Zweiten Regierung nun, als die Königin ihre vier Söhne noch in zartem Alter und bei bester Gesundheit sah, vor Elisabeths von Valois Heirat mit Philipp dem Zweiten, dem Spanierkönige, vor der Margaretas von Valois mit Heinrich von Bourbon, dem Könige von Navarra, bestätigten Nostradamus und seine Freundin die Umstände des berühmten Horoskops.
Diese zweifellos mit dem zweiten Gesichte begabte Person, die der großen Schule der unermüdlichen »Sucher des großen Werkes« angehörte und deren Privatleben geschichtlich nicht bekannt ward, bestätigte, daß das letzte gekrönte Kind durch Mord endigen würde. Nachdem die Zauberin die Königin vor einen Zauberspiegel gesetzt hatte, worin sich ein Rad widerspiegelte, von dessen Zacken sich je eines Kindes Bild abhob, setzte sie das Rad in Bewegung und die Königin zählte die Zahl der Drehungen, die es machte. Jede Drehung war für jedwedes Kind ein Regierungsjahr. Der auf das Rad gesteckte Heinrich der Vierte machte zweiundzwanzig Drehungen. Dies Weib (manche Autoren machen einen Mann aus ihr) sagte der erschreckten Königin, daß Heinrich von Bourbon tatsächlich französischer König werden und all die Zeit regieren würde. Seit der Zeit, wo sie hörte, daß er nach dem letzten ermordeten Valois den Thron besteigen würde, verfolgte Katharina die Béarnaisen mit tödlichem Hasse. Als sie neugierigerweise ihre eigene Todesart wissen wollte, wurde ihr gesagt, sie solle sich vor Saint-Germain hüten. Da sie meinte, sie würde im Schlosse von Saint-Germain eingesperrt werden oder gewaltsam sterben, setzte sie seit dem Tage keinen Fuß mehr hinein, wiewohl dies Schloß wegen seiner Nähe bei Paris viel besser für all ihre Pläne taugte als alle anderen, wohin sie sich während der Wirren mit dem Könige flüchtete. Als sie einige Tage nach des Herzogs von Guise Ermordung auf der Ständeversammlung zu Blois krank wurde, fragte sie nach
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