Katharina von Medici (German Edition)
Blickes Klarheit, auf daß ich meiner Mutter Herz durchdringe, wenn ich die Ruggieri verhöre.«
Das kleine Haus, wo Frau von Belleville wohnte, und wo Karl der Neunte seine Gefangenen untergebracht hatte, war das vorletzte in der Rue d'Autruche auf der Sankt Honoriusstraßenseite. Das Straßentor, welches von kleinen Ziegelsteinpavillons flankiert wurde, schien sehr einfach zu einer Zeit, wo Türen und Zubehör so liebevoller Bearbeitung unterzogen wurden. Es bestand aus zwei steinernen Pilastern in Diamantrustika und in der Bogenfüllung lag ein füllhorntragendes Weib. Die mit riesigen Eisenbeschlägen geschmückte Tür hatte in Augenhöhe ein Guckloch, um die Einlaß Begehrenden zu prüfen. Jeder der Pavillons beherbergte einen Pförtner. König Karls äußerst launenhaftes Vergnügen heischte einen Pförtner bei Tage und einen bei Nacht. Das Haus hatte einen kleinen, in Venezianerart gepflasterten Hof. Zu jener Zeit, wo Wagen noch nicht erfunden worden waren, benutzten die Damen Pferd oder Sänfte und die Höfe konnten prächtig sein, ohne daß Pferde und Wagen sie beschmutzten. Immer wieder muß man dieses Umstandes gedenken, um sich die Enge der Straßen, die geringe Größe der Höfe und gewisse Einzelheiten der Behausungen des fünfzehnten Jahrhunderts zu erklären.
Das Haus, welches nur aus einer Etage über dem Erdgeschoß bestand, wurde durch einen skulpierten Fries gekrönt, auf den sich ein viereckiges Dach stürzte, dessen First eine Plattform bildete. Dies Dach ward von Luken durchbrochen, die mit Giebelfeldern und Gesimsen verziert waren, welche irgendeines großen Künstlers Meißel ausgezackt und mit Arabesken bedeckt hatte. Jedes der drei Fenster des ersten Stockwerks empfahl sich gleichfalls durch seine steinernen Stickereien, welche die Backsteine der Mauern noch deutlicher hervortreten ließen. Im Erdgeschoß führte eine sehr anmutig verzierte Doppelfreitreppe, deren Tribüne mit einer Amorettenkette geschmückt war, zu einer Eingangstür mit vorspringenden Wangenseiten, die nach Venezianerart in Diamantrustika ausgehauen waren, eine Dekorationsweise, die sich an den Fenstern zur Rechten und zur Linken wiederholte.
Ein nach der Mode der Zeit eingerichteter und bepflanzter Garten, worinnen eine Überfülle an seltenen Blumen wuchs, nahm hinter dem Hause den gleichen Raum ein, welchen der Hof beanspruchte. Ein Weinstock überrankte die Mauern. In einem Rasenrund erhob sich eine Silbertanne. Die länglich-schmalen Gartenbeete waren von dem Rasenstück durch gewundene Alleen getrennt, die in gestutzte Taxuswände einmündeten, welche den Hintergrund einnahmen. Die mit Mosaiken aus verschiedenen Steinarten bekleideten Mauern zeigten dem Auge gewißlich plumpe Muster, die aber durch Farbenreichtum, der mit dem der Blumen im Einklänge stand, freundlich anmuteten. Die Gartenfassade ähnelte der des Hofes und zeigte wie sie einen hübschen Balkon, welcher die Tür überdachte und das Mittelfenster verschönerte. Im Garten wie im Hofe reichten die Zierate dieses Hauptfensters, dessen Risalit einige Fuß vorsprang, bis an den Fries, so daß es einer Laterne ähnlich wie ein kleiner Pavillon aussah. Die Lehnen der anderen Fenster schmückten kostbare Marmorinkrustationen, die in den Stein eingefügt worden waren.
Trotz des ausgezeichneten Geschmacks, von welchem dies Haus zeugte, besaß es eine traurige Physiognomie. Das Licht ward ihm durch die Nachbarhäuser und von den Dächern des Hotels Alençon genommen, die einen dunklen Schatten auf Hof und Garten warfen. Und dann herrschte dort tiefes Schweigen. Diese Stille, dies Helldunkel aber und solche Einsamkeit taten der Seele wohl, die sich dort wie in einem Kloster, wo man sich sammelt, oder in einem Freudenhause, wo man liebt, einem einzigen Gedanken hingeben konnte.
Wer wird sich nun nicht vorstellen können, wie erlesen diese Zufluchtsstätte innen ausgestattet war, der einzige Ort seines Königreiches, wo der vorletzte Valois sein Herz ausschütten, seine Schmerzen klagen, seinem Geschmack an den Künsten nachgehen und sich der von ihm heißgeliebten Poesie hingeben konnte; all das waren Neigungen, welchen die Sorgen der drückendsten aller Königswürden hindernd im Wege standen. Dort nur wurde sein hoher Wert, seine großzügige Seele geschätzt; dort nur überließ er sich einige flüchtige Monde über, die letzten seines Lebens, den Freuden der Vaterschaft, Freuden, auf welche er sich mit jener Raserei stürzte, welche das Vorgefühl eines
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