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Katharina von Medici (German Edition)

Katharina von Medici (German Edition)

Titel: Katharina von Medici (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Greis zum Kanzler und stellte sich im Hofe mit einer Unzahl von Leuten an, die für ihre Verwandten ein gutes Wort einlegen wollten. Da aber die titulierten Herrschaften den Bürgerlichen vorgingen, mußte er notgedrungen darauf verzichten, den Kanzler zu sprechen. Er sah ihn aber mehrere Male, als er seine Behausung verließ, um sich zu der vom Parlament ernannten Kommission inmitten einer Gasse von Bittstellern, welche die Wachen zurückhielten, um ihm freie Bahn zu schaffen, ins Schloß zu begeben. Es war eine schrecklich verzweifelte Szene, denn es befanden sich unter den Bittstellern Frauen, Töchter oder Mütter, ja ganze in Tränen aufgelöste Familien. Der alte Lecamus verteilte viel Gold unter die Schloßdiener, indem er sie bat, Briefe zu übergeben, die er, sei es an die Dayelle, der Königin Maria Kammerfrau, sei es an die der Königin-Mutter schrieb; die Dienerschaft aber nahm wohl des Biedermanns Taler, lieferte aber dem Geheiß des Kardinals gemäß die Briefe an den Generalprofoß des Hofes aus.
    Indem sie eine unerhörte Grausamkeit obwalten ließen, mußten die lothringischen Fürsten Racheakte befürchten; daher ließen sie niemals strengere Vorsichtsmaßregeln treffen als während des Aufenthalts des Hofes zu Amboise, so daß weder die tatkräftigste Bestechung, nämlich die mit Gold, noch die wirksamsten Schritte, die der Syndikus der Kürschnergilde tat, ihm Aufklärungen über seines Sohnes Schicksal zu verschaffen vermochten. Mit düsterer Miene irrte er durch die kleine Stadt und erblickte forschend die riesigen Vorbereitungen, welche der Kardinal für das furchtbare Schauspiel, dem der Prinz von Condé beiwohnen sollte, treffen ließ. Man stachelte damals die öffentliche Neugier von Nantes bis Paris durch Mittel auf, welche zu jenen Zeiten üblich waren. Die Hinrichtung ward von allen Predigern und Pfarrern von der Kanzel aus gleichzeitig mit dem Siege des Königs über die Ketzer verkündigt. Drei elegante Tribünen, wovon die mittlere noch prächtiger zu werden schien als die anderen, wurden an die Plattform des Amboiser Schlosses angebaut, zu dessen Füßen die Hinrichtung vollzogen werden sollte. Um diesen Platz herum führte man aus Planken Stufentritte auf, die von einer ungeheuren Menschenmenge eingenommen werden sollten, welche durch die Feierlichkeit, die man diesem Glaubensakte zu geben wußte, herbeigelockt ward. Etwa zehntausend Menschen kampierten im Freien in der Nacht vor dem Tage, an welchem dies schreckliche Schauspiel statthatte.
    Die Dächer waren mit Menschen besät und für die Fenster zahlte man bis zu zehn Talern, eine für jene Zeit riesige Summe. Wie man sich wohl denken kann, hatte der arme Vater einen der besten Plätze, um das Theater zu überschauen, worauf soviele Edelleute endigen sollten und in dessen Mitte er ein mit schwarzem Tuch beschlagenes Blutgerüst aufgebaut werden sah. Am Morgen des verhängnisvollen Tages brachte man den Eselskopf dorthin – so nannte man den Klotz, auf den der Verurteilte kniend seinen Kopf legen mußte – und einen schwarzverhängten Sessel für den Parlamentsschreiber, der die Edelleute aufrufen und ihnen ihr Urteil vorlesen mußte. Der Umkreis ward seit frühstem Morgen von der Schottländerkompagnie und von den Gendarmen des königlichen Hauses bewacht, die verhüten sollten, daß die Menge den Platz vor der Hinrichtung überschwemmte.
    Nach einer in den Stadtkirchen und im Schlosse gelesenen feierlichen Messe führte man die Edelleute herbei, die letzten, die von allen Verschworenen übriggeblieben waren. Einige davon hatten die Tortur erlitten. Man vereinigte sie am Fuße des Blutgerüsts; Mönche leisteten ihnen Beistand und versuchten sie den Calvinischen Lehren abwendig zu machen. Keiner der Edelleute aber hörte auf die Stimmen dieser Männer, die ihnen der Kardinal von Lothringen zugesellt hatte. Unter ihnen fürchteten die Edelleute zweifelsohne lothringische Spione zu finden. Um sich von den Verfolgungen ihrer Widersacher freizumachen, stimmten sie einen von Clemens Marot in französische Verse übertragenen Psalm an. Bekanntlich hatte Calvin angeordnet, in jeder Landessprache zu Gott zu beten; dies war ebensosehr eine Vernunftsmaßnahme als ein Angriff auf den römischen Kult. Ein rührendes Zusammentreffen war es für alle die, welche diese Edelleute in der Menschenmenge beklagten, als sie im Augenblicke, wo der Hof anlangte, von ihnen folgenden Vers intonieren hörten:
Gott des Himmels, Herr der Gnaden,
Schenk

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