Katharina von Medici (German Edition)
uns deines Segens Fülle,
Laß in deinem Glanz uns baden,
Uns mit Güte lind umhülle.
Alle Blicke der Reformierten richteten sich auf ihr Oberhaupt, den Prinzen von Condé, welchen man absichtlich zwischen die Königin Maria und den Herzog von Orleans gesetzt hatte. Die Königin Katharina befand sich bei ihrem Sohne und hatte den Kardinal zu ihrer Linken. Des Papstes Nuntius stand aufrecht hinter den Königinnen. Der Reichsverweser war hoch zu Rosse unter der Estrade mit den beiden Marschallen von Frankreich und seinen Hauptleuten.
Als der Prinz von Condé erschien, zogen alle Edelleute, die enthauptet werden sollten und ihn kannten, ihren Hut. Der unerschrockene Bucklige erwiderte ihren Gruß.
»Leuten gegenüber, die sterben sollen, nicht höflich sein, ist ein schwierig Ding«, sagte er zum Herzoge von Orleans.
Die beiden Tribünen füllten sich mit Eingeladenen, Höflingen und Personen des Hofdienstes. Es waren die Leute des Schlosses von Blois, die so von einem Feste zur Hinrichtung eilten, wie sie später von den Hofvergnügungen in die Gefahren des Krieges mit einer Leichtfertigkeit stürmten, die von Fremden stets für eine der Triebfedern der Politik in Frankreich gehalten werden wird.
Der arme Syndikus der Pariser Kürschner verspürte die lebhafteste Freude, als er seinen Sohn nicht unter den fünfzig zum Tode verurteilten Edelleuten erblickte.
Auf des Herzogs von Guise Zeichen rief der auf dem Schafott sitzende Gerichtsschreiber sofort mit weithallender Stimme:
»Johann Ludwig Alberich, Baron von Raunay, Ihr seid schuldig der Ketzerei, des Verbrechens der Majestätsbeleidigung und des Angriffs mit bewaffneter Hand wider des Königs Person.«
Ein schöner hochgewachsener Mann stieg sicheren Fußes auf das Blutgerüst, grüßte Volk und Hof und sagte:
»Das Urteil lügt; bewaffnet hab ich mich, um den König von seinen Feinden, den Lothringern, zu befreien!«
Er legte seinen Kopf auf den Block. Der Kopf fiel. Die Reformierten sangen:
»Deine Blicke auf uns ruhten,
Prüfend unsres Glaubens Wahrheit,
Und wie Gold in Feuersgluten,
Läutertest du uns zur Klarheit.«
»Robert Johann Rainer Briquemaut, Graf von Villemongis, Ihr seid schuldig des Hochverrats und des Attentats wider die Person des Königs«, schrie der Schreiber.
Der Graf benetzte seine Hände mit des Barons von Raunay Blute und sagte:
»Möge dies Blut über die wirklichen Schuldigen kommen.«
Die Reformierten sangen:
»Ach, in unsrer Feinde Schlingen
Fielen wir und sind gefangen,
Deine Netze uns umringen
Und umschnüren uns viel Bangen.«
»Das müsset Ihr schon zugeben, Herr Nuntius,« sagte der Prinz von Condé, »wenn französische Edelleute zu konspirieren wissen, dann wissen sie auch zu sterben.«
»Welche Fülle des Hasses, mein Bruder,« äußerte die Herzogin von Guise dem Kardinal von Lothringen gegenüber, »lenkt Ihr auf unserer Kinder Haupt.«
»Von diesem Schauspiel wird mir übel«, erklärte der junge König, der angesichts des verspritzten Blutes erbleichte.
»Bah! Rebellen! ...« sagte Katharina von Medici. Immerfort hörte man Gesänge und immerfort wütete das Beil.
Das erhabene Schauspiel von Leuten, die singend in den Tod gingen, und vor allem der Eindruck, welchen der immer dünner werdende Gesang auf die Menge machte, siegte über die Furcht, welche die Lothringer einflößten.
»Gnade!« schrie das Volk wie mit einer Stimme, als man nur mehr die schwachen Töne eines Edelmannes hörte. Es war der vornehmste von allen, den man für den letzten Hieb aufgespart hatte. Er stand allein am Fuße der Treppe, auf der man zum Blutgerüst hinaufstieg und sang:
»Gott des Himmels, Herr der Gnaden,
Schenk uns deines Segens Fülle,
Laß in deinem Glanz uns baden,
Uns mit Güte lind umhülle.«
»Heda, Herzog von Nemours,« rief der Prinz von Condé, der seiner Rolle müde war, »haltet Ihr, dem man den guten Ausgang des Scharmützels verdankt und mit dessen Hilfe man all die Leute hier festnahm, Euch nicht für verpflichtet, für den da um Gnade zu bitten? Castelnau ist's, der, wie man mir sagte, Euer Wort empfing, höfisch behandelt zu werden, wenn er sich ergäbe ...«
»Hab' ich denn mit seiner Rettung gewartet, bis er dort steht?« schrie der Herzog von Nemours, den dieser harte Vorwurf wie eine Ohrfeige traf. Langsam und zweifellos absichtlich langsam las der Schreiber:
»Michel Johann Ludwig Baron von Castelnau-Chalosse, angeklagt und überführt des Hochverrats und des Attentats gegen des
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