Katharsia (German Edition)
getönten Panzerglasscheiben verliehen dem Gefährt das Aussehen einer unnahbaren Festung.
Der Eingang des Busses wurde von zwei geflügelten Kämpfern bewacht. Als sich der Offizier näherte, traten sie wortlos beiseite.
Sando beschlich ein ungutes Gefühl. Er zögerte, seinen Fuß auf die Trittstufen des Einganges zu setzen, und drehte sich mit einem fragenden Blick zu Nabil um. Der lächelte ihm jedoch ermutigend zu und rief, den Lärm der Menge übertönend: „Geh schon, Sando! Diesmal sind nicht wir die Gefangenen.“
Als der Junge einstieg, bemerkte er verwundert, dass es ihm einige Mühe bereitete, die Stufen zu nehmen. Seine Knie fühlten sich merkwürdig weich an. Ben, der frischgebackene Junge, der sich neben ihm hielt, schaute ihn vielsagend an und stützte ihn wortlos.
Im Bus führte sie der Offizier an der schmalen Stiege, die zum Oberdeck führte, vorüber und hieß sie, im Untergeschoss Platz zu nehmen. „Oben sitzen die Verhafteten“, sagte er. „Es geht gleich los. Meine Männer durchsuchen nur noch das Haus nach KORE-Leuten. Wir wollen sichergehen, dass wir keinen hier vergessen.“
Sando ließ sich erschöpft in den nächstbesten Sitz fallen. Er hatte den Eingang im Blick. Ein Kämpfer in schwarzer Montur erschien. Es war der Wachmann, der tags zuvor nicht eingeschritten war, als Sando Bens Seele aus dem Schrank im Salon befreit hatte. Nun stand er gefesselt in dem gepanzerten Bus und bevor er auf Drängen eines Engels der Gefahrenabwehr die Treppe zur Gefangenenetage betrat, traf sein Blick auf Sando. Der KORE-Kämpfer stutzte einen Moment, öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, ergab sich dann aber schweigend seinem Schicksal und stapfte mit schweren Schritten die steilen Stufen empor.
„Er hat uns geholfen“, sagte Sando matt.
Der Offizier schaute ihn überrascht an. Dann zuckte er mit den Schultern. „Das musst du denen erzählen, die das Geschehen untersuchen werden. Ich hatte nur die Aufgabe, euch hier herauszuholen.“
„Wer hat Sie eigentlich benachrichtigt?“, wollte Ben wissen. „Es ist ungewöhnlich, dass die Gefahrenabwehr gegen das KORE vorgeht.“
„Da hast du Recht, Junge“, bestätigte der Offizier lächelnd und Sando berührte es seltsam, dass der lebenserfahrene, weise Ben nun ein Bursche war wie er.
Ben nahm es gelassen. Ja, er schien es sogar zu genießen, nach seinem Aussehen behandelt zu werden, und er sah den Offizier vergnügt an.
„Nun“, begann der, „wir haben Battoni nach seinem Rücktritt selbstverständlich observiert. Ein Gebot der Sicherheit. Es bestand der Verdacht, dass er das KORE als eine Art Privatarmee aufgebaut hat, und wir wollten sichergehen, dass er die Truppe nicht zu einem Putsch missbraucht.“
„Sie sind ihm also hierher nach Paris gefolgt“, konstatierte Ben.
Der Offizier nickte. „Freilich nicht mit diesem Kampfaufgebot.“ Er wies mit unbestimmter Geste nach draußen. „Unsere Informanten berichteten, Battoni habe das Haus, das er besuchte, durch schwerbewaffnete KORE-Kämpfer sichern lassen.“
„Deshalb sind Sie eingeschritten?“, fragte Gregor.
„Nein, nicht deshalb. Grund war ein Anruf aus Makala. Ein Reporter behauptete, die Informanten der ,Katharsia TIMES‘, die Battoni zu Fall gebracht hatten, seien in Paris. Der Anrufer war sehr besorgt, weil er keinen Kontakt mehr zu ihnen aufnehmen konnte.“
„Massef!“, entfuhr es Gregor.
„Ja, Massef, so hieß er wohl“, bestätigte der Offizier. „Und er nannte die Adresse eben jenes Hauses, in dem sich Battoni aufhielt. Wir haben eins und eins zusammengezählt und sind mit einer starken Einheit angerückt, denn es war klar, sollten die Angaben des Reporters zutreffen, schwebten die Informanten in Lebensgefahr.“
„So war es auch“, sagte Denise, die mit feuchten Augen bei ihrem erschöpften Vater saß und dessen Wangen streichelte. „Wenn Sie nicht gekommen wären … Wissen Sie, was Brainscreening ist?“
Denise setzte zur Erklärung an, wurde jedoch von einem eintretenden Kämpfer unterbrochen.
„Das Haus ist nun sauber!“
„Gut, dann räumen wir jetzt das Feld. Sie sorgen mit Ihren Männern dafür, dass wir aus diesem Hexenkessel herauskommen, ohne jemanden zu verletzen!“
Der Bus setzte sich lautlos in Bewegung. Sando, der sich endlich in Sicherheit wusste, überkam eine nie gekannte Schwäche. Körper und Geist forderten ihren Tribut. Mühsam kippte er seinen Sitz in die Liegeposition, holte mit zitternder Hand das Medaillon mit der
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