Katharsia (German Edition)
Stimmung im Saal kippte. Bisher hatte jeder geglaubt, es würde genügen, den verschollenen Professor Strondheim zu finden, damit die Forschungen nahtlos weitergehen könnten. Jetzt war er gefunden und nichts wurde besser. Im Gegenteil. Allen war schlagartig klar, dass sich die ersehnte Retaminproduktion um unbestimmte Zeit verschieben würde.
„Wo mir das passiert ist, kann ich nicht sagen“, erklärte Strondheim. „In der Nähe von Makala oder zu Beginn meiner Flucht in Europa. Noch ist der Key nicht gefunden worden. Glücklicherweise, würde ich sagen …“
„Warum glücklicherweise?“
„Dadurch ist es noch Zeit für meine Warnung. Und deshalb habe ich mich auch durchgerungen, in Ihre Sendung zu kommen.“
„Und wovor wollen Sie warnen?“
Strondheim holte aus seiner Tasche einen schimmernden Metallring hervor, der Sandos Hühnergott zum Verwechseln ähnlich sah. Eine der Kameras fuhr dicht heran. Der Key füllte die Bildschirme im Saal aus.
„So sieht ein Key zur Syntheseverstärkung aus. Ich wende mich an die Öffentlichkeit mit der dringenden Bitte: Wer immer einen solchen Gegenstand findet, der sollte ihn unter gar keinen Umständen dem Retamininstitut Dresden übergeben!“
Sando glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. Er tauschte alarmierte Blicke mit seinen Gefährten. „Warum nicht?“ Vitelli war erstaunt. „Dort gehört er doch hin …“
„Wer ihn dort abgibt“, erklärte Strondheim, „kann ihn auch den Seelenrettern direkt aushändigen.“
Trotz der Hitze der Scheinwerfer überlief Sando ein eiskalter Schauer. Seinen Gefährten schien es wie ihm zu gehen. Mit ungläubig geweiteten Augen sahen sie den Professor an.
„Das ist nicht Ihr Ernst!“, sagte Vitelli. „Sie beschuldigen ein renommiertes Institut, Ihr eigenes Institut?! Ich hoffe, Sie sind nicht hier, um persönliche Rechnungen zu begleichen.“
Professor Strondheim lief rot an vor Ärger. „Ich bitte Sie, solche Unterstellungen zu unterlassen!“
„Verzeihen Sie, aber das ist eine schwere Anschuldigung, Herr Professor. Haben Sie Beweise?“
Vitelli ließ nicht locker.
„Beweise? Denken Sie, die Leute sind so unvorsichtig und hinterlassen Beweise?“
Strondheim lachte bitter.
„Wie kommen Sie dann zu Ihrer Ansicht?“
Der Professor atmete tief durch, sammelte sich einige Augenblicke.
„Gut, also die Geschichte von vorn“, sagte er dann gefasst. „Für mich begann es vor etwa zwei Jahren. Merkwürdige Gäste wurden durch das Institut geführt. Die Institutsleitung verhielt sich ihnen gegenüber … nun, ich möchte sagen … devot. Professor Gellert, der Institutsleiter, forderte mich auf, den Gästen haarklein über meine Forschungen zu berichten. Angeblich kamen sie von höchster Stelle. Genaueres war aber nicht in Erfahrung zu bringen. Das machte mich stutzig. Bemerkungen und Gesprächsfetzen, die ich in den Monaten danach unfreiwillig aufschnappte, brachten mich auf eine Spur: Der Institutsleiter unterhielt Kontakte zu den Seelenrettern. Von da an begann ich, wichtige Forschungsergebnisse zu verheimlichen. Professor Gellert ahnte es und es kam zu Auseinandersetzungen. Er wollte nicht glauben, dass die Forschungen auf einmal so schleppend vorankamen, wie ich behauptete. Als ich eines Morgens ins Institut kam und den Computer anschaltete, meldete er mir, dass jemand versucht hatte, den Zugriffscode zu knacken. Das war der Tag, an dem ich mich gezwungen sah, mit dem Material zu fliehen. Ich wusste mir nicht anders zu helfen.“
Sando hatte bangen Herzens zugehört in der vagen Hoffnung, Strondheim möge sich irren. Doch was er sagte und wie er es sagte, ließ in Sando nicht den leisesten Zweifel aufkommen. Alles in ihm krampfte sich zusammen. Mit welchem Hochgefühl waren er und seine Gefährten in die Sendung gekommen. Die Rettung Katharsias hatten sie präsentieren wollen. Jetzt sah alles danach aus, als würde die Tatsache, dass sie den Hühnergott gefunden und im Institut abgeliefert hatten, zur Schreckensnachricht werden. Am liebsten hätte er den Fund verschwiegen. Unsicher blickte er zu seinen Gefährten. Ben schien zu ahnen, welche Gedanken ihn quälten, denn er nickte ihm unauffällig zu.
Also dann , dachte Sando, heraus mit der schrecklichen Wahrheit!
„Man kann leicht feststellen, ob Professor Strondheim mit seinem Verdacht Recht hat“, meldete er sich mit heiserer Stimme.
„So?“ Vitelli sah ihn fragend an. „Und wie willst du das anstellen?“
Sando zögerte, versicherte sich noch
Weitere Kostenlose Bücher