Katharsia (German Edition)
wollte, wandte sich dem Offizier zu: „Es tut mir leid, aber wir müssen wegen dieser Waffe noch einmal zu Battoni. Viel verspreche ich mir nicht davon, aber …“
„Aber man darf nichts unversucht lassen“, ergänzte der Offizier nicht eben begeistert.
Sie wiederholten also die umständliche Prozedur.
Der Präsident sollte Recht behalten: Battoni weigerte sich, zur Herkunft des Dolches genauere Angaben zu machen. Er habe ihn geschenkt bekommen. Von wem, habe er leider vergessen. Mehr war aus ihm nicht herauszubekommen.
Als sie das Appartement verlassen hatten und auf den Fahrstuhl warteten, reichte Wanderer Sando die Waffe mit den Worten: „Nimm sie, Sando! Wenn Battoni nichts sagt, erfahren wir vielleicht von dem früheren Besitzer des Dolches etwas.“
Sando glaubte, nicht recht verstanden zu haben. „Sie meinen … Wolfenhagen?“
Wanderer schwieg, sah ihn nur bittend an.
„Ich soll versuchen, Wolfenhagen zu finden?“
Allein die Vorstellung machte Sando frösteln. Seine Bereitschaft, in den Hades zu gehen, wurde erneut auf eine harte Probe gestellt.
„Wenn wir wissen, wie der Dolch zu Battoni kam, wissen wir vielleicht auch, wie die Verbindung der Seelenretter zum Hades funktioniert“, versuchte Wanderer, ihm die Wichtigkeit der Aufgabe deutlich zu machen.
Aber Sando hatte schlicht Angst.
„Wolfenhagen …“, sagte er für sich.
Der Fahrstuhl kam und als er einstieg, waren seine Knie weich.
MAKALA
Bereits am Tag darauf jagte ein kleiner Gleiter im Auftrag des Präsidenten Makala entgegen. Unweit dieser Stadt, in der Tiefe des Atlasgebirges, befand sich der Hades, jene berüchtigte und legendenumwobene Endstation für Seelen, die in Katharsia nicht willkommen waren.
Samuel Wanderer hatte Sando, Ben, Gregor, Nabil und Massef zum Aufbruch gedrängt, denn die Situation spitzte sich gefährlich zu. Grund war die Auflösung des KORE, die er – wie versprochen – angeordnet hatte; ein mutiger Schritt, für den ihn sogar ein großer Teil der Presse lobte. Dennoch geriet er in arge Bedrängnis. Natürlich hatte Wanderer mit Widerstand von Seiten des KORE gerechnet und versucht, den Betroffenen die Maßnahme schmackhaft zu machen. Großzügige Abfindungen und die Eingliederung der Einheiten in die Gefahrenabwehr hatte er versprochen, doch Führungskräfte und Kämpfer des KORE hatten erklärt, man werde die Auflösung der Truppe nicht akzeptieren und ab sofort aus dem Untergrund heraus für ein „freies Katharsia“ operieren.
Das war beispiellos in der Geschichte dieser Welt. Bewaffnete Truppen waren auf den Präsidenten eingeschworen und ihm gegenüber zur Loyalität verpflichtet. Jetzt wurde auch dem Letzten klar: Das KORE war fremdgesteuert, agierte als Instrument einer anderen Macht. Und niemand zweifelte daran, dass es sich dabei um die Seelenretter handelte. Daher erschien es dem Präsidenten nun umso dringender, über die Absichten der Geheimorganisation Kenntnis zu erlangen.
Sando saß mit gemischten Gefühlen am Fenster des Gleiters. Unter ihm erstreckte sich der karge, rötliche Landstrich, der mit grünen Büschen übersät war. Irgendwo dort unten hatte er halb verdurstet im Sand gelegen und zum ersten Mal Katharsia erblickt, eine Welt, die ihn in einen Strudel gefährlicher Herausforderungen gerissen hatte. Und es war ungewiss, ob er heil wieder herauskam. Am Horizont zog Makala vorbei. Die alte Wüstenstadt duckte sich bescheiden in die Landschaft. Auffällig ragte nur das Haus der Gefahrenabwehr hervor, ein Glasfinger, wie zur Warnung aufgerichtet. Er erinnerte Sando an den unfreiwilligen Absturz des alten Ben Hakim, der nun als Junge nach Makala zurückgekehrt war, um die Schuldigen zu finden. Sando schaute sich nach ihm um. Er saß auf der anderen Seite des Gleiters und machte Gregor gerade auf etwas aufmerksam.
„Dass er so groß ist, hätte ich nicht gedacht …“, sagte er aus dem Fenster in die Tiefe blickend.
„Was gibt es denn dort zu sehen?“, fragte Sando neugierig.
Er wechselte hinüber. Ben und Gregor machten ihm Platz.
„Dort unten liegt die Baustelle des künftigen Vergnügungsparks“, erklärte Ben.
Sando erblickte einen gewaltigen Krater und erinnerte sich an die Nachricht von dem Sprengstoffanschlag, die ihnen Massef in Dresden hatte zukommen lassen. Danach hätten sich islamistische „Krieger des wahren Paradieses“ dazu bekannt.
„Es muss eine unglaubliche Explosion gewesen sein“, sagte Ben.
„Ziemlich fanatisch, deine Glaubensbrüder“,
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