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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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keinerlei Hinweis auf die Anwesenheit einer freien Seele in den Gängen des Hades gegeben haben. Es gab keinen Alarm, verstehst du? Also war ein Freiseelenkontakt eigentlich nicht möglich. Du kannst dir vorstellen, Sando, dass nun die Verunsicherung unter den Wachleuten groß ist. Sie bezweifeln die Zuverlässigkeit der Ortungsgeräte, daher lassen sie sicherheitshalber die Inhalatoren Tag und Nacht laufen.“
    „Können Sie sich die Sache erklären, Herr Doktor?“, wollte Sando wissen.
    „Offen gestanden ist es auch mir ein Rätsel und ich hoffe, mit deiner Hilfe dahinterzukommen.“
    Das Hornissengrummeln in Sandos Bauch verstärkte sich.
    Inzwischen hatte der Zug die Bergregion erreicht. Er schlängelte sich durch schroffe Felsschluchten. Oft kamen die grob behauenen Wände der Bahn so nah, dass Sando vom Fenster zurückzuckte. Traten sie etwas weiter zurück, versuchte er, einen Blick auf den Gipfel mit der Perlenkette zu erhaschen, doch mächtige Fanggitter zur Abwehr von Steinschlägen verdeckten jedes Mal die Sicht nach oben. So wurde Sando vom Einlauf der Bahn in die Zielstation überrascht.
    Als er ausstieg, bemerkte er staunend, dass der Bahnhof wie ein Schwalbennest in der Bergwand hing.
    „Sieh, dort drüben ist der Einstieg!“
    Doktor Fasin wies auf die andere Seite der Schlucht, wo in der Felswand ein breites Loch klaffte. Es vermittelte den Eindruck eines reißenden Schlundes, denn zwei Reihen von Silberkegeln an der Ober- und Unterkante der Öffnung, Seelenkanonen, ragten wie Raubtierzähne in das Schwarz des Loches hinein.
    Sando sah, dass von der Bahnstation aus zwei schmale Brückenträger hinüber führten. Über den einen Träger wurde der aufgesperrte Rachen unaufhörlich mit schwarzen Gondeln gefüttert, während über den anderen diejenigen Gondeln, die der Schlund wieder ausspie, zur Station zurückbefördert wurden.
    „Komm, Sando! Wir müssen uns umziehen, bevor wir hinüberfahren“, riss Doktor Fasin den Jungen aus seinen Beobachtungen.
    Wenig später überquerten sie mit der Gondel den Abgrund, fuhren ein in das gierige Maul. Beide steckten in einem Ganzkörperanzug aus weichem Kokon. Sie sahen aus, als wollten sie einen Spaziergang auf dem Mond unternehmen. Nur die durchsichtige Kugel, die eigentlich auf den Kopf gehörte, hielten sie auf dem Schoß.
    „Wir müssen diese Goldfischgläser aufsetzen, bevor wir die Gondel verlassen“, sagte Doktor Fasin spöttisch. „Eine Anordnung, falls doch verirrte Seelen statt in ihren Zellen in den Gängen des Hades herumgeistern.“
    Sie waren schon geraume Zeit im Berg unterwegs, als die Gondel plötzlich in die Tiefe stürzte. Nach einem erschrockenen Aufschrei beruhigte sich Sando schnell. Da Doktor Fasin gelassen blieb, musste es mit dem rasanten Abwärts seine Richtigkeit haben.
    „Wie tief geht es denn hinab?“, frage Sando, als ihn der Fall endlos dünkte.
    „Wir sind in etwa zweitausend Metern Höhe eingestiegen und müssen auf minus einhundert. Aber gedulde dich, wir sind gleich da.“
    „Warum wurde denn der Einstieg so hoch im Berg angelegt, wenn der Hades so weit in der Tiefe liegt?“, fragte Sando verblüfft.
    Doktor Fasin zuckte die Achseln.
    „Man glaubt wohl, ihn so am besten verteidigen zu können.“
    Die Gondel bremste, sank nun sanft wie ein Fahrstuhl. Doktor Fasin stülpte sich das Goldfischglas über und Sando tat es ihm gleich. Die Tunnelwände vor den Gondelfenstern waren plötzlich in kaltes Licht getaucht.
    „Es ist so weit!“
    Fasins Stimme klang trotz des Kopfschutzes erstaunlich klar.
    Sie durchstießen die Kuppel einer riesigen, mit grellem Licht überfluteten Halle. Sando kniff die Augen zusammen. Aus der Vogelperspektive erkannte er, dass die Grundfläche der Halle ein Fünfeck bildete. Von jeder der fünf Seitenwände aus führte ein Gang in den Berg hinein. Es waren mächtige Stollen, die sich über viele Stockwerke erstreckten. Sando blickte staunend auf das Gewirr stählerner Treppen, Brücken und Balustraden, die die Etagen und Gänge miteinander verbanden. Gläserne Aufzüge, besetzt mit schutzanzugbewehrtem Personal, bewegten sich auf und ab durch das metallene Dickicht und hier und da stapfte eine unförmige Mondgestalt über die gitterförmigen Stege.
    „Das ist das Zentrum des Hades“, erklärte Doktor Fasin. „Hier laufen die fünf Zellentrakte zusammen. Jeder ist zwanzig Kilometer lang.“
    „Und jeder Trakt hat mehrere Stockwerke“, sagte Sando beklommen.
    Er zählte die Etagen und

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