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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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draußen.“
    Mit einigem Widerwillen setzte sich Sando den fremden Helm auf, während der Doktor den Wachmann anwies, den Kokonbehälter des Saugers zu wechseln.
    Eilfertig entnahm der Mann dem Inhalator einen prallgefüllten Ballon und stapfte davon.
    Kurz darauf kehrte er mit einem silbern glänzenden Sack zurück. Nachdem er ihn eingesetzt hatte, stellte Doktor Fasin das Gerät in die gesäuberte Schleuse.
    „Komm, Sando!“
    Klopfenden Herzens gesellte sich Sando zu ihm. Der Doktor schloss sorgfältig die Tür und rief die vorgeschriebene Warnung. Sando erschrak, als er plötzlich die laute Stimme neben sich hörte: „Achtung, Achtung! Wachpersonal wird die Zelle betreten! Bleiben Sie, wo immer Sie sich befinden! Halten Sie die Schleuse frei! Zuwiderhandlungen – insbesondere Fluchtversuche – werden hart bestraft!“
    Auf diese Ankündigung hin vernahm Sando ein anschwellendes Grillenzirpen. Es war ein solches Stimmengewirr, dass es unmöglich war, einzelne Worte herauszuhören.
    Es müssen ungeheuer viele sein , dachte er beunruhigt.
    Doktor Fasin drückte vorsichtig die Zellentür auf.
    Mit einem markerschütternden Ton schlug das Warngerät an seinem Schutzanzug an. Er verzog das Gesicht und stellte es ab.
    Sando verschlug es den Atem. In der Zelle wuselte es wie in einem Fischschwarm. Es mussten Hunderte Seelen sein, die hier eingepfercht waren.
    Der Vergleich mit einem Schwarm war Sando nicht zufällig gekommen. Er hatte den Eindruck, dass die Bewegungen der silbrig schimmernden Körper aufeinander abgestimmt waren. Ruckartig wich die Leibermasse zurück, als sie die Zelle betraten, bildete eine undurchdringliche Wand, die nur aus übereinandergestapelten Gesichtern zu bestehen schien. Mal schwebten sie ein Stück nach oben, um im nächsten Augenblick wie auf Kommando wieder ein Stück herabzusinken. Wendungen der Köpfe nach links oder rechts folgten in ebenso präzisem Gleichmaß.
    Befangen stand Sando in der Zelle. Das Zirpen hatte aufgehört. Unzählige Augen waren auf ihn gerichtet. Ein ungutes Gefühl. Doch plötzlich schauten sie alle weg, nahmen Doktor Fasin ins Visier. Der lief ahnungslos in den Schwarm hinein, bis ihn Sando nicht mehr sehen konnte. Das Tausendauge fixierte nun wieder ihn. Sando senkte den Blick und bemerkte, dass er bis zu den Knöcheln in leblosen Seelenkörpern stand. Sie bildeten einen Bodensatz in der Zelle.
    Sein Magen reagierte prompt, doch es war nichts mehr da, was er noch hätte herausbringen können. Langsam wich er zurück, eine Spur zerquetschter Leiber hinterlassend. Die Seelenwand rückte nach. Stumm.
    „Doktor Fasin“, hauchte Sando. „Doktor Fasin! Kommen Sie!“
    Im Rückwärtsgang suchte er den Weg zur Schleuse.
    „Was ist denn los, Sando? Ich komme gleich.“
    Die Stimme des Doktors kam aus der Tiefe des Raumes.
    Wie groß mag die Zelle sein , fragte sich Sando – und plötzlich brach die Hölle los. Es war, als hätte jemand die Seelenwand zum Einsturz gebracht. Sando stand inmitten einer entfesselten Leiberflut. Mit ohrenbetäubendem Zirpen umtoste ihn der Schwarm, machte ihn blind. Hassverzerrte Gesichter klatschten an die durchsichtige Kokonkugel. Er verlor die Orientierung, tastete sich vor, mal hierhin, mal dahin, zu panisch, um mit Bedacht vorzugehen. Allein die Angst, nie wieder den Ausgang zu finden, steuerte ihn.
    „Doktor Fasin!“, schrie er wie ein Ertrinkender.
    Er spürte eine Hand, die ihn mit sich zog.
    „Warum schreist du so?“
    Doktor Fasins Stimme klang ruhig und ein wenig verwundert.
    Unvermittelt fand sich Sando in der Schleuse wieder. Das Zirpen hatte aufgehört. Augen blickten ihn an. Da war sie wieder: die Gesichterwand! Sie füllte den Türrahmen vollständig aus und wich dann wie auf Kommando in die Zelle zurück. In den Schleusenraum hinein wagte sich keine der Seelen.
    Die Strafandrohung scheint zu wirken , dachte Sando erleichtert.
    Währenddessen blieb der Seelenschwarm in beständiger Bewegung, vollführte einen seltsamen Tanz. Sando schaute fasziniert dem rhythmischen Reigen zu. Was mochte er bedeuten? Doch sehr schnell wurde es ihm klar: Der Pegel in der Schleuse stieg! Doktor Fasin und er standen bereits bis zur Hüfte in Seelenwracks. Mit vereinter Kraft schoben die Gefangenen den traurigen Bodensatz aus ihrer Zelle hinaus.
    „Die Tür zu! Schnell!“, rief Sando.
    Doktor Fasin reagierte prompt und sah ihn anschließend fragend an. „Gab es etwas Besonderes?“, fragte er. „Wovor hattest du solche

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