Katharsia (German Edition)
Richtung des mattgrünen Seelenflecks und verloren sich darin. Sando wähnte das Grün schon ein wenig intensiver.
„Genug für heute!“, sagte Doktor Fasin. „Lass uns nach Hause fahren. Du hast dich wacker geschlagen, Sando.“
Der Junge hörte dies mit Erleichterung.
Auf dem Nachhauseweg war er sehr still und in sich gekehrt. Nur eines sagte er, als der Schlund in der Felswand sie ausspie und rötliches Abendlicht in die Gondel fiel: „Die Folter muss aufhören!“
Doktor Fasin blickte ihn verständnisvoll an.
„Sie sehen nicht, was sie tun“, sagte er wie zur Entschuldigung. „Ein Leuchtfleck rührt nicht das Herz.“
DJAMILA
Eintauchen. Sich treiben lassen. Die Last abwerfen, die das Gemüt beschwert. Sando hielt die Augen geschlossen. Reglos lag er im Wasser und lauschte dem Platschen der Wellen nach. Ein herrliches Geräusch, das ihn nicht an eine Alarmsirene erinnerte, nicht an das schmerzerfüllte Zirpen einer gefolterten Seele. Auch das Rauschen der Fontäne, die unweit von ihm unvermittelt in die Höhe schoss, hatte nichts Beängstigendes, obwohl sie dem Maul eines bizarren Fabeltieres entsprang. Hier in Doktor Fasins Wasserparadies hatte er schon einmal Trost gefunden. Am Tag seiner Ankunft in Katharsia. Hier hatte er Fatima kennengelernt. Hier war er unversehens in den Gedankenspiegel geraten, der aus Gischt die Bilder zu formen vermochte, die einem gerade durch den Kopf gingen.
Gemächlich jeden Zug auskostend, schwamm Sando in den Regen, der rund um das speiende Fabeltier das Wasser schäumte. Er klammerte sich an einer der krallenbewehrten Klauen fest. Tropfen hüllten ihn ein, schirmten ihn ab vor allem, was ihn bedrückte.
Seine Gefährten hatten längst das Bassin verlassen. Von den Liegestühlen am Beckenrand aus beobachteten ihn Ben, Gregor und Nabil, froh, ihn wieder halbwegs entspannt zu sehen. Sando hatte ihnen nur andeutungsweise vom Hades erzählt. Doch mehr als jedes gut geschilderte Detail hatte seine tränenerstickte Stimme verraten, was in ihm vorging.
„Es scheint ihm wieder besser zu gehen“, sagte Ben und Nabil setzte hinzu: „Es ist erstaunlich, was ein paar Blubberblasen so alles bewirken können.“
Gregor schüttelte den Kopf und sagte besorgt: „Ich weiß nicht … Sie muten ihm zu viel zu. In seinem Alter.“ Er beobachtete Sando, der aus der Regenglocke wieder hervorschwamm und Kurs auf eine Gischtfontäne nahm, die am jenseitigen Beckenrand schillernde Regenbögen in die Luft zauberte.
„Vielleicht sollte ihn einer von uns künftig in den Hades begleiten.“
„Was würde derjenige besser machen als Doktor Fasin?“, fragte Ben. „Ich für meinen Teil werde versuchen, außerhalb des Hades den Seelenrettern auf die Spur zu kommen. Vielleicht erfahre ich bei der Einwanderungskommission etwas.“
„Ja, die Kommission … Es mag schon sein, dass dort eine Spur zu finden ist“, gab Gregor zu, „aber ich denke, wir sollten Sando nicht allein lassen. Doktor Fasin wird nicht immer bei ihm sein können. Er hat im Hades anderes zu tun, als auf einen Jungen aufzupassen.“
„Willst du ihn begleiten?“, fragte Ben.
„Ich werde es dem Doktor vorschlagen“, sagte Gregor bestimmt.
„Er kann das nicht entscheiden, Gregor“, gab Ben zu bedenken. „Du brauchst die Zustimmung des Präsidenten – und der hat ausdrücklich festgelegt, dass wir nicht mit in den Hades gehen.“
„Ich weiß …“ In der unergründlichen Tiefe der Augen Gregors glomm ein Funke. „Aber für Sando wäre es besser.“
„Frag den Präsidenten, Gregor“, mischte sich nun Nabil in das Gespräch ein. „Und sag ihm, dass ich auch dabei sein will!“
Gregor sah den bärbeißigen Riesen, der ihn, den Flötenspieler, auf dem Markt von Makala stets zuverlässig beschützt hatte, dankbar an.
„Dann bitte, versucht es.“ Ben zuckte mit den Schultern. „Wanderer hatte sicher seine Gründe, dass er …“
Er sprach nicht zu Ende. Fatima war erschienen. In einem langen, luftigen Kleid kam sie herangeweht, anmutig, geschmeidig wie eine Katze. Ben sprang freudig auf und begrüßte sie. Die junge Frau lächelte ihn an. Ein gewinnendes Lächeln.
„Ich wollte mich nur erkundigen, wie es Ihnen geht“, sagte sie, als wollte sie sich für die Störung entschuldigen, die sie verursacht hatte.
„Danke für dein … äh … für Ihr Interesse, Fatima. Schön, Sie zu sehen!“
Ben strahlte und wirkte gleichzeitig befangen, weil er die Frau, die er schon aus Kindertagen kannte, so
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